Lustreise endet im Pfarrsaal
Energieversorger sollen bergische Kommunalpolitiker und Verwaltungsbeamte ausgehalten haben.
Gummersbach. Viele Korruptionsverfahren gegen Kommunalpolitiker, die im Rheinland mit der Müllbranche gekungelt hatten oder auf Kosten von Energiekonzernen auf Lustreise gegangen waren, sind gegen Geldauflagen geräuschlos eingestellt worden. Doch das Gummersbacher Amtsgericht machte bei dem Geschäft nicht mit. Seit Montag wird dort 14 Angeklagten der Prozess gemacht. Verhandelt wird in einem frostigen Pfarrsaal, im Gerichtsgebäude reichte der Platz nicht.
Die Kommunalpolitiker, Verwaltungsbeamten und das Führungspersonal der regionalen Versorger Aggergas und Bergische Energie und Wasser (BEW) werden beschuldigt, sich mit acht Lustreisen persönliche Vorteile auf Grund ihrer Mitgliedschaft in Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung der Energieversorger verschafft zu haben.
Die Ex-Geschäftsführer der beiden Energieversorger sitzen wegen des Vorwurfs der Vorteilsgewährung und Untreue auf der Anklagebank. Vier der Angeklagten sind heute Bürgermeister von Gemeinden im oberbergischen Kreis.
Der Vorwurf: Die Reisen hätten lediglich touristischen Charakter und nichts mit den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und Mitglieder der Vertreterversammlung zu tun gehabt. So stand eine Rom-Reise im Mai 2005 unter der Überschrift: "Rom de Luxe - Dolce Vita in der Ewigen Stadt", so Staatsanwalt Renke Hoogendoorn. Die Gesamtkosten: mehr als 15500 D-Mark (rund 7900 Euro).
Die acht Reisen, unter anderem nach Danzig, Amsterdam und mehrfach mit Flügen zu Bohrinseln in Norwegen, an denen zum Teil auch die Ehefrauen der Angeklagten teilgenommen haben sollen, hatten aus Sicht der Staatsanwaltschaft eines gemeinsam: Sie waren für die beiden Energieversorger ohne fachlichen Nutzen, und sie haben alle auf Kosten der Unternehmen stattgefunden.
Hoogendoorn nannte Details: So habe es Begrüßungscocktails, gehobene Abendessen, touristische Stadtführungen, kulturelle Veranstaltungen und auch kleine Geschenke wie T-Shirts, Danziger Goldwasser, teure Parfums, Schrittzähler oder Musik-CDs für die Reiseteilnehmer gegeben. Der fachliche Zusammenhang der Reisen habe sich stets auf nur wenige Minuten beschränkt oder sei dem touristischen Programm ganz zum Opfer gefallen.
Die Staatsanwaltschaft Köln hatte die Ermittlungen ursprünglich einstellen wollen, schließt sich aber mittlerweile der Auffassung des Gummersbacher Amtsgerichts an. Gerichtssprecher Albert Bartz erklärte zur Auffassung des Gerichts: "Man kann nicht alles unter den Teppich kehren."
Die Verteidigung will, dass das Mammutverfahren ausgesetzt wird. Noch im August habe die Staatsanwaltschaft Köln die Einstellung der Verfahren gegenüber mehreren Angeklagten in Aussicht gestellt, erst am 8. Januar sei dies widerrufen worden. Angesichts der 2300 Blatt starken Hauptakte und mehrerer Sonderbände sei eine Vorbereitung nicht möglich gewesen.
Das Gericht widersprach: Das Hauptverfahren sei schon im April 2008 eröffnet worden. "Seitdem mussten alle Beteiligten mit der Hauptverhandlung rechnen."