Machtkampf in der Staatsanwaltschaft Bochum: Hickhack um eine Diva
In der Staatsanwaltschaft Bochum gärt es schon seit längerem. Doch nun werden die Personal-Querelen zum Politikum, das die Justizministerin in die Bredouille bringt.
Düsseldorf. In der Bochumer Staatsanwaltschaft tobt seit längerem ein Machtkampf zwischen der Behördenleitung und der Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen, Deutschlands wohl bekanntester Steuersünder-Jägerin. Doch die ursprünglich hausinternen Querelen sind inzwischen zum Politikum geworden, das NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) in die Bredouille bringt.
Fest steht, dass der Bochumer Behördenchef Oberstaatsanwalt Bernd Schulte im Einvernehmen mit dem Hammer Generalstaatsanwalt und früheren Bochumer Behördenleiter Manfred Proyer die unbequeme Staatsanwältin in die hauseigene Abteilung Jugenddelikte versetzen wollte - mit der Konsequenz, dass somit die Fahnderin von allen Liechtenstein-Fällen und damit auch vom Zumwinkel-Verfahren abgezogen worden wäre. Das bestätigte am Montag ein Sprecher des NRW-Justizministeriums.
Diese Bochumer Pläne riefen die NRW-Justizministerin auf den Plan: Sie befürchtet, dass die Versetzung Lichtinghagens die Abarbeitung der Liechtenstein-Fälle behindern könnte. Müller-Piepenkötter schlug deshalb vor, Lichtinghagen nebst deren Liechtenstein-Akten zur Staatsanwaltschaft Köln umzusiedeln.
Doch statt dem Vorschlag zuzustimmen und damit die ungeliebte Staatsanwältin los zu sein, legten Schulte und Proyer nach. Sie warfen Lichtinghagen vor, bei der Zuweisung von Geldern an gemeinnützige Organisationen gemauschelt zu haben - gleichbedeutend mit dem beruflichen Aus, falls die Vorwürfe zutreffen.
Nach Informationen der "Süddeutschen" war bei der Hammer Generalstaatsanwaltschaft im November eine anonyme Strafanzeige gegen Lichtinghagen eingegangen, in der ihr Mauscheleien im Zusammenhang mit der Wittener Privat-Uni vorgeworfen werden.
Nach Recherchen unserer Zeitung sind die von der Bochumer Behördenleitung erhobenen Vorwürfe jedoch strafrechtlich nicht relevant, allenfalls anrüchig.
Hintergrund: Es gibt derzeit keine gesetzlichen Vorgaben, die die Vergabe von Geldauflagen im Detail regeln. Allerdings gibt es in jeder Staatsanwaltschaft interne Dienstanweisungen, die den Umgang mit solchen Geldern regeln. So müssen beispielsweise bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft alle Geldzuwendungen an gemeinnützige Organisationen mit der Behördenleitung abgestimmt werden, sobald sie 7500 Euro pro Jahr überschreiten.
Gegen eine vergleichbare interne Dienstanweisung könnte Lichtinghagen verstoßen haben, indem sie beispielsweise verstärkt Überweisung von Geldauflagen an eine Krebsklinik in Witten/Herdecke veranlasste, an der eine ihrer beiden Töchter einmal behandelt worden sein soll.
Außerdem, so berichtet es die "WAZ", sind rund 1,5 Millionen Euro aus einer Geldauflage in Höhe von 7,5 Millionen Euro, die ein in Bochum verurteilter Liechtenstein-Steuerbetrüger zahlen musste, an gemeinnützige Projekte in Hattingen geflossen. Margrit Lichtinghagen wohnt in Hattingen.
Eine persönliche Bereicherung an diesen Geldern wirft ihr niemand vor - Lichtinghagen wäre ansonsten selbst ein Fall für den Staatsanwalt. Allerdings reagieren nicht wenige Juristen auch außerhalb Bochums etwas pikiert darüber, dass sich Lichtinghagen mit diesen Geldzuweisungen brüstet: Nur sie und ihre Gelder erhielten manche Organisationen am Leben, soll die raubeinige Ermittlerin des öfteren kundtun.
Allerdings hat wohl auch Lichtinghagens Chef Schulte eigene Praktiken bezüglich der Vergabe von Mitteln aus Geldauflagen. Ein Staatsanwalt bestätigte unserer Zeitung, Schulte habe Lichtinghagen einen Kontakt zu einem Spendensammler vermittelt, der Gelder für den Wiederaufbau einer Kirche in Ostdeutschland beitrieb. Dabei handelte es sich allerdings um ein Projekt des Rotary-Clubs Lüdenscheids - dem Schulte angehört.
Zwiespältig sind auch die aus der Bochumer Staatsanwaltschaft öffentlich gewordenen Vorwürfe, Lichtinghagen habe ihre Vorgesetzten bewusst übergangen, als sie ohne Rücksprache die Anklage gegen den Ex-Postchef Zumwinkel einreichte.
Denn das ist allenfalls bedingt zutreffend: Lichtinghagen hat bereits seit längerem das so genannte Große Zeichnungsrecht, eine Art staatsanwaltliche Prokura. Damit ist sie unter anderem berechtigt, jeden von ihr untersuchten Fall vor Gericht anzuklagen - und zwar ohne vorher die Zustimmung von Vorgesetzten einholen zu müssen.
Dass Lichtinghagen ihre Vorgesetzten in der Causa Zumwinkel nicht von der Anklageerhebung informierte, obwohl diese sicherlich ein lebhaftes Interesse daran gehabt hätten, ist zwar formaljuristisch korrekt, wirft aber ein bezeichnendes Licht auf die zerrütteten Verhältnisse in der Bochumer Staatsanwaltschaft.
Auf jeden Fall scheint sich die Ermittlerin der Zuneigung wichtiger Politiker zu erfreuen: Nach Informationen der "Süddeutschen" soll sich in den mittlerweile von den Kollegen gefilzten Akten Lichtinghagens auch ein Hinweis befinden, wonach sie möglicherweise einige Millionen Euro auch auf Vorschlag hochrangiger Politiker auszahlen ließ.
In dem Papier sollen die Namen des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU), des Hochschulministers Andreas Pinkwart (FDP) und der Landtagspräsidentin Regina van Dinther (CDU) stehen.