NRW Mehr antisemitische Straftaten: Der Judenhass wird in NRW sichtbarer

Der Landtag will beschließen, dass Nordrhein-Westfalen einen Antisemitismusbeauftragten bekommt. Die Zahl der antisemitische Straftaten in NRW ist gestiegen.

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Düsseldorf. Wenn am Donnerstag der Landtag zu seiner 29. Sitzung zusammenkommt, steht unter Punkt 2 der Antrag „Nordrhein-Westfalen braucht einen Antisemitismusbeauftragten“ auf der Tagesordnung. Eine direkte Abstimmung ist vorgesehen — und die Annahme ist jetzt schon sicher: Der Antrag wird von vier der fünf Landtagsfraktionen gemeinsam getragen.

Derzeit gibt es vier Antisemitismusbeauftragte: auf Bundesebene Felix Klein (seit 1. Mai), in Baden-Württemberg den evangelischen Religionswissenschaftler Michael Blume (seit März), in Rheinland-Pfalz Dieter Burgard (seit Mitte Mai) und in Bayern den früheren Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU).

Dass alle vier erst im Laufe dieses Jahres berufen wurden, ist ein Indiz für einen wachsenden, zumindest zunehmend sichtbaren Antisemitismus. Laut Antrag von CDU, SPD, FDP und Grünen gab es in NRW im vergangenen Jahr 324 antisemitische Straftaten, neun Prozent mehr als im Vorjahr. Eine Entwicklung, die auch Oded Horowitz, Vorstandsvorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Nordrhein, bestätigt: „Der Antisemitismus hat für uns spürbar zugenommen, sei es als jüdische Institutionen oder auch Privatpersonen. Jüdische Schülerinnen und Schüler werden als Juden beschimpft und diskriminiert, was mittlerweile so weit geht, dass Eltern sie von der Schule nehmen.“

Unter den Juden mache sich eine gefühlte Verunsicherung breit, „ob man hier als Jude weiter sicher leben kann“, so Horowitz. Es herrsche der Eindruck vor, der Antisemitismus sei stärker als zuvor in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auch an die Adresse der jüdischen Institutionen gebe es inzwischen „ganz unverhohlen Drohungen mit Klarnamen“. „Man kann fast sagen: der Antisemit versteckt sich und seinen Antisemitismus nicht länger.“

Die vier am Antrag beteiligten Landtagsfraktionen erwarten von dem NRW-Beauftragten die Koordinierung präventiver Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus und einen jährlichen Bericht. Auch soll er Ansprechpartner für Opfer von antisemitischen Taten sein.

Der jüdische Landesverband begrüßt den Antrag, „insbesondere auch vor dem Hintergrund seiner Überparteilichkeit“. Die jüdischen Gemeinden hätten diese Forderung selbst nach der Landtagswahl erhoben und dies auch Ministerpräsident Armin Laschet mitgeteilt, sagte Horowitz. „Wir sind allerdings nicht so blauäugig zu meinen, ein solcher Beauftragter löse jetzt all die Probleme des Antisemitismus in NRW.“ Es komme nun darauf an, den Beauftragten mit den benötigten personellen, fachlichen und finanziellen Ressourcen auszustatten, „damit unsere Hoffnung, Antisemitismus wirksamer als bisher bekämpfen zu können, auch Wirklichkeit werden kann“. Ein Mann oder eine Frau allein werde das nicht leisten können.

Wer dieser Mann oder diese Frau für NRW überhaupt sein kann, ist noch unbekannt. Das Vorschlagsrecht liegt beim Land. Die Berufung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung ging auf einen Vorschlag des Zentralrats der Juden zurück. Aber am Donnerstag geht es in NRW zunächst um ein grundsätzliches Signal: „Der Landtag bekennt sich dazu, dem Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen intensiv entgegenzutreten“, heißt es in dem Antrag.