NRW "Mehr Zeit für Gespräche" - Gewerkschafter über Suizide im Gefängnis

In diesem Jahr haben sich schon 18 Häftlinge in NRW-Gefängnissen das Leben genommen. Die Zahl schreckt Politik und Öffentlichkeit auf. Strafvollzugsmitarbeiter schlagen schon lange Alarm.

Peter Brock, der Vorsitzende des Bunds der Strafvollzugsbeamten Deutschlands in Nordrhein-Westfalen.

Foto: BSBD NRW

Düsseldorf. In diesem Monat haben sich bereits drei Häftlinge in nordrhein-westfälischen Gefängnissen das Leben genommen. Im ganzen Jahr haben sich bislang 18 Gefangene selbst getötet. Zur Situation in den Justizvollzugsanstalten (JVA) und zur Belastung für die Mitarbeiter äußert sich der Landesvorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Peter Brock.

Ist die Zahl der Suizide in NRW-Gefängnissen in diesem Jahr im Vergleich tatsächlich so hoch?

Peter Brock: Im Gegensatz zu den Jahren vorher ist es eine hohe Zahl, aber wir hatten früher schon deutlich höhere Zahlen. Nichtsdestotrotz ist jeder Selbstmord ein verlorenes Menschenleben und bedeutet eine hohe Belastung für uns.

Sie fordern mehr Videoüberwachung bei Suizidgefährdeten - wieso? Akut gefährdete Häftlinge werden doch schon mit Video überwacht und Kritiker bemängeln, Videoüberwachung verletze die Privatsphäre.

Brock: Wenn jemand vorhat, sich das Leben zu nehmen, dann versucht er das - auch bei einer regelmäßigen Beobachtung und bei einer Videoüberwachung. Aber beobachtet man per Video, das etwas passiert, ist man schneller vor Ort und vergrößert die Chance, den Menschen so noch zu retten.

Mehr Überwachung bedeutet aber auch mehr Mitarbeiter, oder?

Brock: Wir fordern auch deshalb schon seit Jahren mehr Personal. Wir bräuchten etwa 1000 Bedienstete mehr im Strafvollzug. Derzeit haben wir 8300 Mitarbeiter, 5800 davon arbeiten im direkten Kontakt mit den Gefangenen. Diese Kollegen schieben insgesamt 460 000 Überstunden vor sich her. Vor allem brauchen wir dringend mehr Psychologen. Diese können die Situation meist besser einschätzen.

Brock: Mit mehr Personal hätte man die Suizide nicht zwangsläufig verhindern können. Aber, wenn die Kollegen in einer Schicht 50 Gefangene überwachen müssen und davon zehn als gefährdet gelten und deshalb im 15-Minuten-Takt überprüft werden, dann haben die Kollegen für andere Tätigkeiten keine Zeit mehr. Dabei kann man schon viele Stimmungen bei den Inhaftierten auffangen, wenn man mit ihnen redet. So können die Kollegen besser einschätzen, wie psychisch stabil ein Gefangener ist. Man muss wieder Zeit haben, Gespräche zu führen.

Wie gehen denn die JVA-Mitarbeiter damit um, wenn sich ein Häftling tötet?

Brock: Wir haben zwar schon vieles getan, was die psychologische Betreuung dieser Kollegen angeht, aber ob das reicht? Besonders erschreckt mich, dass in der Öffentlichkeit diese Kollegen dann auch noch kritisiert werden. Wenn man nicht dafür sorgt, dass wir genug Personal haben, dann Kollegen aber so angegangen werden, kann ich das nicht akzeptieren.