Merz: Lobbyist der Großfinanz oder ein Glücksfall für das Land NRW?

Pläne von Ministerpräsident Laschet (CDU), den Parteifreund zum Brexit-Beauftragten zu machen, werden im Landtag heftig diskutiert.

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Düsseldorf. Gleich an zwei Tagen in Folge hat es der vor Jahren aus der CDU-Spitzenpolitik in die Welt der Wirtschaft abgewanderte Friedrich Merz geschafft, Gegenstand hitziger Diskussionen im NRW-Landtag zu sein. Hatte sich am Donnerstag die Aktuelle Stunde noch darum gedreht, was wohl dahinter stecke, dass der Sauerländer Aufsichtsratschef beim Flughafen Köln/Bonn wird, ging es am Freitag um die zweite Mission, mit der Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ihn betraut: die Rolle des Brexit-Beauftragten der Landesregierung. Merz soll, so die Idee, Unternehmen nach NRW locken, die wegen des Brexit aus Großbritannien abwandern wollen. Er soll Ansprechpartner sein für britische Firmen in NRW, aber auch für die nordrhein-westfälische Wirtschaft in Großbritannien. All das ehrenamtlich.

SPD und Grüne wittern Interessenkonflikte. Schon in der Haushaltsdebatte am Mittwoch hatte SPD-Fraktionschef Norbert Römer vorgelegt, als er die vielen Ämter aufzählte, die Merz jetzt schon innehat: „Als deutscher Chef-Lobbyist von Blackrock, einer der größten Schatten-Banken der Welt“. Dann seine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied und Lobbyist des Versicherers Axa, der DBV Winterthur Holding, der Deutschen Börse, der IVG Immobilien, der Wepa Industrieholding, der BASF Antwerpen, der Stadtler Rail, der Commerzbank und der HSBC Trinkaus und Burkhardt.

Dafür, dass Merz das Amt als Beauftragter für die Interessen der NRW-Wirtschaft insgesamt und unparteiisch ausfüllen könne, hatte Römer nur beißende Ironie übrig: „Wer bezweifelt noch ernsthaft, dass er ein unabhängiger und vertrauenswürdiger Partner für alle Unternehmen sein kann, die ihn nicht bezahlen?“

Thomas Kutschaty, der ehemalige Justizminister, legt für die SPD am Freitag noch mal nach. Der Brexit und dessen Relevanz für NRW müsse „Chefsache in den Ministerien sein und darf nicht an Externe delegiert werden.“ Der Ministerpräsident traue offenbar seinen eigenen Ministern die Kompetenz für diese wichtige Aufgabe nicht zu. Die Panama- und Paradise-Papers hätten gezeigt, dass die Interessen der Global Players „nicht immer deckungsgleich mit den Interessen unseres Landes sind“. Die internationale Finanzindustrie entziehe den Staaten Gelder in Milliardenhöhe. Mit Blick auf Blackrock sagt Kutschaty: „Und nun soll der Vertreter eines Finanzdienstleisters, der weltweit 4,7 Billionen Dollar verwaltet, die Interessen von Nordrhein-Westfalen vertreten? Da haben Sie den Bock zum Gärtner gemacht.“

Grünen-Fraktionschefin Monika Düker ergänzt, dass die große Vermögensverwaltungsgesellschaft Blackrock Beteiligungen an allen Dax-Unternehmen halte, Großaktionär von Banken, von Rüstungskonzernen, und der Konsumindustrie sei. Und nun solle die „personifizierte Wunderwaffe“ für alle großen NRW-Firmen, die in Großbritannien sitzen, als Berater zur Verfügung stehen. Er sei aber doch den Unternehmensinteressen verpflichtet, für die er aktiv sei. Düker: „Was ist denn nun, wenn ein Unternehmen vor dem Brexit nach NRW fliehen möchte? Da hat Merz doch den Job, für dieses hier einen Standort zu organisieren. Was passiert aber, wenn dieses Unternehmen in direkter Konkurrenz zu einem der vielen Unternehmen steht, in denen Herr Merz im Aufsichtsrat sitzt?“ Da sei Merz dann doch „Diener zweier Herren“. Unabhängiger Beauftragter des Landes könne er dann nicht sein.

Marcus Optendrenk von der CDU hält dagegen, Nordrhein-Westfalen brauche gerade angesichts der Bedeutung des Brexit auch für das Land „Niveau statt Nörgelei“. Großbritannien sei der viertgrößte Handelspartner des Landes. Um vor dem Hintergrund des Brexit den Schaden zu begrenzen, Brücken aufrechtzuerhalten oder zu bauen, brauche das Land die besten Köpfe. Da sei es gut, jemanden zu haben, „der nicht eingebunden ist in die vielen Baustellen, die Sie als rot-grüne Landesregierung uns hinterlassen haben“, teilt Optendrenk in Richtung Opposition aus. Merz identifiziere sich mit NRW. Er sei bestens geeignet, die Interessen des Landes und seiner Bürger zu vertreten.

Thomas Nückel von der FDP spricht von einer rot-grünen Verschwörungstheorie. Eine anerkannte Persönlichkeit mit hohem Sachverstand und breitem Netzwerk wie Merz sei genau der richtige Mann für die Aufgabe des Brexit-Beauftragten. Sachkompetenz dürfe doch kein Ausschlussgrund sein, ergänzt Günther Bergmann (CDU).

Als Vertreter des „entschuldigten Ministerpräsidenten Armin Laschet“ (Parlamentspräsident André Kuper) sagt Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner, Interessenskonflikte seien nicht zu befürchten. Er spießt die Forderung der Opposition nach einem unabhängigen Beauftragten auf. Nach Vorstellungen von SPD und Grünen bedeute dies offenbar „Unabhängigkeit von Sachverstand“. Nein, Merz sei „ein Glücksfall“. Und dann schlägt Holthoff-Pförtner den Oppositionsparteien vor, Merz doch mal in ihre Fraktionen einzuladen. „Ich verspreche Ihnen, dass er sich auf dieses Treffen freut.“ Für die AfD nimmt Markus Wagner dieses „sehr interessante Angebot“ bereits ebenso freudig an. Mindestens einen ehrenamtlichen Termin hat der vielbeschäftigte Herr Merz nun also schon mal.