Millimeterstreit vor Gericht: Wie groß müssen Polizisten sein?
Ihnen fehlen zum Teil nur Millimeter. Sie wollen Polizist werden, sind aber zu klein. Die Fälle von drei Frauen aus dem Rheinland beschäftigen jetzt das NRW-Oberverwaltungsgericht. Knifflig: Die Regeln für die Zulassung wurden zuletzt wieder geändert.
Münster. Frauen und Männer, die in Nordrhein-Westfalen Polizisten werden möchten, müssen eine Mindestgröße haben. Aktuell sind das 1 Meter und 63 Zentimeter. Seit Jahren gibt es um die Größe der angehenden Beamten Streit. Am Donnerstag (10.30 Uhr) beschäftigen sich erneut die obersten Verwaltungsrichter in NRW mit mehreren Beschwerden. Das Oberverwaltungsgericht verhandelt die Klagen von drei Frauen aus Oberhausen, Rheinberg und Kleve. Sie liegen mit 161,5, 162 und 162,2 Zentimetern nur knapp unter der Untergrenze.
In der ersten Instanz hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf den Frauen im August 2017 Recht gegeben. Jetzt wird es kompliziert, denn zu diesem Zeitpunkt galt noch eine alte Regel. Das Land hatte bis dahin für Frauen eine Mindestgröße von 163 und für männliche Bewerber eine Größe von 168 Zentimetern vorgegeben. Das Oberverwaltungsgericht aber kippte wenigen Wochen später den Erlass des Landes. Nach Meinung des OVG ist die im fünf Zentimter größere Mindestgröße für Männer durch Erlass rechtswidrig. Das Land wollte mit dieser Vorgabe eine Benachteiligung von Frauen im Bewerbungsverfahren verhindern. Denn durch die unterschiedlichen Größen schaffen es weniger Männer ins Ziel - der Anteil der Frauen steigt.
Diese Regelung per Erlass durch die Verwaltung des Landes ist aber rechtswidrig, entschied das OVG. Wenn Frauen an dieser Stelle nicht benachteiligt werden sollen, müsste dies der Gesetzgeber regeln, betonte das Gericht. An der Festlegung der Mindestgröße von 163 Zentimetern für Polizei-Bewerber gab es vom OVG keine Kritik: „Das ist nicht zu beanstanden. Dem Dienstherrn steht hier ein Einschätzungsspielraum zu.“
Die Mindestgröße ist nach Angaben eines Sprechers des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP) nicht aus dem Bauch heraus festgelegt worden. Eine Arbeitsgruppe hatte 2017 Studien, Befragungen und wissenschaftliche Erkenntnisse unter anderem von der Sporthochschule Köln zusammengetragen.
Demnach gewährleistet nur die vorgegebene Körpergröße, dass Kollegen sich gegenseitig im Dienst schützen und aufeinander verlassen können. „Im Extremfall kann das Leben retten“, heißt es in einer Erklärung des LAFP. Allein das Tragen der Ausrüstung von 22 Kilogramm im Wachdienst und 30 Kilogramm bei der Bereitschaftspolizei erfordere eine „körperliche Robustheit“. Auch bei Festnahmen oder Erster Hilfe seien Hebeltechniken und Kraft entscheidend. Größeren Beamten gelinge dies besser als kleineren.
Für die drei Klägerinnen wird entscheidend sein, wie der 6. Senat des OVG ihre Fälle zeitlich einordnet. In der ersten Instanz hatten die Frauen noch Recht bekommen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf beanstandete die unterschiedlichen Mindestgrößen als rechtswidrig und gab dem Land auf, die Frauen zum Auswahlverfahren zuzulassen. Der umstrittene Erlass aber wurde in der Zwischenzeit gekippt - von den Richtern in Münster. dpa