Wie Herr Hartmann aus Bornheim die NRW-SPD retten soll
Am Samstag soll mit Sebastian Hartmann der neue Landeschef der NRW-SPD in Bochum gewählt werden. Vorgänger Groschek lobt beharrlich, andere sind skeptischer. Jetzt wird es ernst.
Düsseldorf. Die Pläne sind noch nicht ausgereift. Ob die Geschäftsstelle der NRW-SPD an der Kavalleriestraße 16 unweit des Landtags in Düsseldorf am Ende niedergerissen und neu errichtet wird oder die Partei woanders neu anmietet, ist noch unklar. „Bis zum Wochenende“, sagte Michael Groschek, Noch-Landesvorsitzender der großen NRW SPD, am Donnerstag, „wird hier sicher nichts mehr abgerissen.“
Groschek hat danach lauthals dieses markante Groschek-Lachen gelacht, das man vermissen wird, wenn der 61 Jahre alte Oberhausener mit seinem „Köter“, wie er frotzelt, „durch die Eifel spaziert“ und politisch seltener Gehör finden dürfte. Er will noch „zehn Jahre arbeiten“ und künftige Tätigkeiten über einige Beirats-„Pöstchen“ hinaus in den kommenden Wochen erdenken. Ab Samstag ist „Mike“, wie sie ihn nennen, dann wirklich viel „Ex“ in NRW: Ex-Generalsekretär der SPD, Ex-Verkehrsminister, Ex-Landeschef der Partei. Wie die in die Jahre gekommene SPD-Geschäftsstelle den Charme der Achtziger versprüht, so ist er mit seiner Generation der Politiker am Ende, findet Groschek. „Die Geschichten der ,Willy wählen’-Generation, zu der ich zähle, sind auserzählt.“
Jetzt also, ist man geneigt zu sagen, kommen die nächsten Geschichten einer neuen Generation, die ihre Ikonen wohl noch sucht. Sebastian Hartmann könnte sie bald erzählen. Nach dem Willen des SPD-Landesvorstands wird der 40-Jährige am Samstag in Bochum auf dem Landesparteitag zum neuen Vorsitzenden der NRW-SPD gewählt. Dass er weiter im Bundestag in Berlin arbeitet, soll kein Problem sein, findet er. „Wir wollen doppelter Motor sein, eben auch in Berlin. Wir müssen stark in den Berliner Parteierneuerungsprozess rein. Ich stempel nicht in der Landesgeschäftsstelle ab, sondern bin Handlungsreisender für die NRW SPD“, sagt er.
Hartmann will die SPD Richtung Zukunft führen. „Wir wollen nicht etwas enden lassen, sondern wir wollen neu beginnen“, sagt er, was auch ein echter Groschek-Satz sein könnte, aber dieses bisweilen übertrieben Markige hat Hartmann dann doch recht schnell wieder abgelegt. Man will ja auch nicht Kopie sein. Routinier Groschek gilt als ausgemachter Sprücheklopfer. Man kann bei ihm über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden lernen, und das ist viel mehr ein Kompliment denn ein Makel.
Sebastian Hartmanns Geschichte wird am Samstag in Bochum Fahrt aufnehmen. „Auf nach vorne“ lautet das Parteitags-Motto. Für die in einer tiefen Strukturkrise steckende Partei und ihren neuen Vorreiter gilt das gleichermaßen. Der Mann aus Bornheim wird dann beweisen müssen, dass er aus dem oft beschriebenen „Nichts“ (dabei sitzt der im Bundestag) den größten SPD-Landesverband (112 000 Mitglieder) führen kann. Und auch alle Stürme des anstehenden Parteitags übersteht, der gespalten sein wird: Es gibt viele, die das nun ausgeklügelte Personaltableau der abtretenden Altvorderen Norbert Römer und Groschek nicht schätzen. In der Fraktion ist schon der ausgewählte Marc Herter an Proporz und Hinterzimmer gegen den neuen Fraktionschef Thomas Kutschaty gescheitert. Hartmann wird durchkommen, es gibt gar keinen Gegenkandidaten, aber es droht ein nüchternes SPD-Ergebnis, zumal diese Partei, wie Groschek sagte, selten sonderlich „pfleglich“ mit ihren Vorsitzenden umgegangen sei.
Die Schlagzeilen über seine Unbekanntheit oder sein vermeintlich fehlendes Profil steckt Hartmann weg. „Ich war nie genervt. Jeden Tag erscheint eine neue Zeitung“, sagte er am Donnerstag im Gespräch mit dieser Zeitung. „Ich komme aus dem Rhein-Sieg-Kreis, da ist das mediale Umfeld immer ziemlich schwarz geprägt gewesen. Als ich in Bornheim mit 27 mit einer Kampfkandidatur das Ding gedreht habe, hieß es: War ja klar, dass irgendwann mal die SPD gewinnt. Mich machen also auch schwierigere Schlagzeilen nicht bange.“
Er war auf Werbetour, in die Städte hinein, in die Unterbezirke, aufs platte Land. Wochenlang, im Wechsel oder gemeinsam mit der künftigen Generalsekretärin, der Dortmunder Unterbezirkschefin Nadja Lüders. Hartmann hat Klinken geputzt. Er ist nicht gekommen, um Episode, sondern Richtungswechsler zu sein. Um die SPD wieder ein bisschen zu entfernen von der Agenda 2010. Mehr Staat.
Groschek sagt angesichts des noch ziemlich geringen Zutrauens der Öffentlichkeit in den Neuen: Auch große SPD-Politiker wie Johannes Rau seien zu Beginn ihrer Karriere belächelt worden. „Wir werden noch viel von ihm hören“, Hartmann repräsentiere eine „neue Bindungsfähigkeit und einen neuen, weniger rabaukigen Stil“. Er könne Menschen mitnehmen Er, Groschek, werde Hartmann in den kommenden 20 Jahren noch zu mancher Minister-Vereidigung gratulieren dürfen. Eine Nummer kleiner hatte er es am Donnerstag nicht.
Warum auch? Er ist überzeugt von seiner Wahl. Und Hartmann ist es auch. „Wir wollen ein Startsignal geben, mit Mut und Zuversicht. In dem Wissen, von Platz zwei zu starten. Ziel bleibt Platz eins“, sagt Hartmann. Und sagt: „Man wählt keine traurige Mannschaft, bei der in der Kabine geweint wird.“
Wer ihm vorwirft, noch inhaltsleer zu sein, bekommt einige Brocken aus seiner programmatischen Parteitagsrede des Samstag zugeworfen. Angesichts der Probleme im Wohnungsbau plädiert er für „eine öffentliche Wohnungsgesellschaft“, den maroden Kommunen will er mit einer „Bad Bank für kommunale Altschulden“ neuen Gestaltungsspielraum geben.
Angst vor einem Debakel hat er nicht. Hartmann sagt: „Das sind alles gestandene Mitglieder, die am Samstag über die Zukunft der Partei entscheiden. Die wissen das.“