Politik in NRW: "Kampfansage an Umwelt und Natur"

Ein kleiner Verein in Krefeld hat mit einer Langzeitstudie zum Insektensterben weltweit für Aufregung gesorgt. Nur die Regierung von Armin Laschet habe den Schuss nicht gehört - kritisieren Naturschützer.

In NRW ist keine Rettung in Sicht für Bienen und Schmetterlinge.

Foto: Thomas Warnack

Düsseldorf. Erste Lichtblicke für Feldhamster und Wiederannäherungsversuche an den Wolf, aber keine Rettung in Sicht für Bienen und Schmetterlinge in Nordrhein-Westfalen. Der Landeschef des Naturschutzbunds Deutschland, Josef Tumbrinck, hat am Dienstag in Düsseldorf eine durchwachsene Jahresbilanz gezogen.

FELDHAMSTER: Die in NRW fast gänzlich ausgestorbene Feldhamster-Population wird wiederbelebt. Die letzten noch freilebenden Exemplare seien rechtzeitig für die Zucht eingefangen worden und hätten sich in Gefangenschaft gut vermehrt, berichtete Tumbrinck. Erstmals seien sie in Aachen wieder im Freiland ausgesetzt worden. Nun müssten weitere geeignete Flächen, etwa in den Kreisen Neuss und Rhein-Erft, gefunden und beobachtet werden, ob die Aussiedlung klappt. Laut Nabu hatten einst Hunderttausende Feldhamster die rheinische Bördelandschaft bevölkert, bevor die intensive Landwirtschaft ihnen zunehmend Lebensraum und Nahrung entzogen habe.

ARTENSTERBEN: Das massive Insektensterben mit dramatischen Auswirkungen auf die Nahrungskette der Vögel und das Bestäuben von Pflanzen wird aus Nabu-Sicht weitgehend tatenlos von der Landesregierung hingenommen. Dies sei umso unverständlicher, als der Entomologische Verein Krefeld das große Insektensterben über 27 Jahre lang bundesweit in 63 Gebieten dokumentiert und mit seiner Veröffentlichung im vergangenen Herbst „eine weltweite Welle ausgelöst“ habe. Der Studie zufolge ging das Insektenvorkommen in dem Zeitraum um über 75 Prozent zurück. Während Bayern und Berlin ihre Anstrengungen für Artenschutz und Biodiversität bereits verstärkt hätten, verschlafe NRW die notwendige Entwicklung, bemängelte Tumbrinck. „Auch Feldlerche und Kiebitz sind weiter im Sturzflug.“

STÖRENFRIEDE: In vielen Städten nerven Kanada-Gänse, andere werden exzessiv von Krähen heimgesucht. Vor allem das sauerländische Soest leidet darunter, Hochburg der Saatkrähen zu sein und mit ständig anwachsendem Gekrächze und Kot leben zu müssen. Der Nabu-Chef nimmt kein Blatt vor den Mund: „Ich kann die Anwohner verstehen, die da zugekackt werden.“ Legale Gegenmittel gebe es gegen Krähen und Kanadagänse aber kaum. „Da müssten wir die komplette Stadt Soest baumfrei machen.“ Beide Arten schadeten aber keinen anderen Tieren, sondern nervten nur die Menschen. „Die scheißen uns die Liegewiesen zu“, bemerkte Tumbrinck. „Wir müssen aber ein paar Stellen lernen, mit der Natur zu leben.“

WÖLFE: Nach jahrzehntelanger Abwesenheit durchstreifen inzwischen wieder einzelne „Wanderwölfe“ Nordrhein-Westfalen. Mit einem Bildungsprojekt will der Nabu informieren, Sorgen nehmen und die Akzeptanz für den Wolf stärken. Klar sei aber auch, dass Wölfe, die sich anormal verhielten - etwa auf Menschen zugehen oder an Autos um Futter betteln - getötet werden müssten, räumte Tumbrinck ein. Generell müsse der Wolf aber geschützt bleiben und gehöre keinesfalls ins Jagdrecht.

POLITIK: Die Politik von CDU und FDP ist aus Sicht der Naturschützer „eine Kampfansage an Umwelt und Natur“. Verbesserungen, die von der rot-grünen Vorgängerregierung eingeleitet worden seien, würden zurückgedreht, „um die Wirtschaft zu entfesseln“. Dies gelte für die geplanten Änderungen am Jagd-, Naturschutz- und Wasserrecht sowie am Landesentwicklungsplan mit mehr Kiesabbau, Straßenbau und Industriegebieten. Einen zweiten Nationalpark werde es nun nicht mehr in NRW geben, kritisierte Tumbrinck. Hoffnung setzt er allerdings in die neue Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU), die „einen sehr guten Ruf“ genieße. Er hege zwar nicht die Illusion, dass Heinen-Esser Kabinettsbeschlüsse zurückholen könne. „Aber ich glaube, dass sie eine kluge und ausgeglichene Politik auf den Weg bringt.“