Dringend gesucht: Insektenparadies

Marian Amend ist erster Vorsitzender des Imkervereins Krefeld und engagiert sich für den Erhalt der Artenvielfalt.

Seinen Honig nennt Marian Amend „Bloody Honey“, blutiger Honig. Passend zum Standort der Bienenstöcke auf dem Gelände des ehemaligen Krefelder Schlachthofs. Lustige Idee. Auf den ersten Blick. Doch vor dem ernsten Hintergrund des drastischen Insektensterbens klingt es fast schon makaber. Vor allem bei den mehreren Dutzend Bienen, die um Amends Bienenstöcke auf dem Boden liegen. Tot oder ums Überleben kämpfend.

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Naturschutzverbände schlagen schon lange Alarm. Immer mehr Insekten sind stark gefährdet. Einige Arten bereits ausgestorben. Sie alle sorgen für einen funktionierenden Kreislauf. Ein intaktes Ökosystem. Wissenschaftler belegten den drastischen Rückgang erstmals statistisch im Jahr 2017. Um fast 80 Prozent reduzierte sich die Population in den vergangenen 27 Jahren. Zugrunde lagen die Zählungen und Beobachtungen des Entomologischen Vereins Krefeld.

„Wenn wir jetzt nicht überlegt handeln, haben wir schon bald ein Problem mit Nahrungsmittelknappheit als logische Folge eines Insektensterbens“, prognostiziert Amend der erste Vorsitzende des Imkervereins Krefeld. Er will sich engagieren. „Die Nahrungskette wird durch Bestäubung der Pflanzen gewährleistet. Gibt es immer weniger Wildbienen und bestäubende Insekten, führt das zwangsläufig zu Verringerung der Erträge“, erläutert der 33-Jährige.

Dabei spielten Wildbienen die größte Rolle. Von 560 Arten sei lediglich eine die Honigbiene - im Grunde ein Haustier, dass vom Menschen gepflegt werde. „52,4 Prozent der in Deutschland lebenden Wildbienenarten sind stark gefährdet oder ausgestorben,“ so Amend. Er hebt seine Augenbrauen so, als könne er die Zahl selbst kaum fassen. „Einzelne Berichte weisen darauf hin, dass die Bestäubung gerade in 50 Prozent der Flächen zusammenbricht.“

Das decke sich mit den Erfahrungen des Krefelder Imkervereins. „Selbst unsere Völker verhungern teilweise mitten im Sommer, wenn wir diese nach dem Abblühen, in der Nähe von Monokulturen stehen lassen“, so Amend. 70 Kleinimker mit insgesamt 265 Bienenvölkern gibt es in Krefeld.

Warum es einigen seiner Bienen momentan schlecht geht, muss der studierte Sozialwissenschaftler noch herausfinden. An zu wenig Futter wird es aber wohl kaum liegen. In der Stadt finden Bienen mittlerweile deutlich mehr Nahrungsquellen, etwa auf Friedhöfen, in Vorgärten und Parks, als im ländlichen Raum. Das zeigt sich auch am Ertrag. „In der Stadt bringt ein Bienenvolk gut 15 Kilogramm Honig ins Glas, auf dem Land sind es nur etwa zehn.“

Womit schnell wieder die Landwirtschaft in den Fokus gerät, der im Zusammenhang mit dem Insektensterben oftmals der schwarze Peter zugeschustert wird. Ist das gerecht? „Nein, die Bauern sind getrieben von der Ökonomie. Sie brauchen immer mehr Flächen, um ihre Erträge und somit ihren Lebensunterhalt zu sichern - und da kommen sie auch um das Spritzen von Pestiziden und Herbiziden nicht herum, die allen Insekten schaden“, erörtert er.

Das bedeutet, es gibt immer weniger Lebensraum für die Insekten und mehr chemische Feinde. „Es müssten wieder kontinuierlich Feldhecken und Blühwiesen um die Felder angelegt werden - wo auch nicht gespritzt wird“, konstatiert Amend. Aber ohne Subventionen für die Bauern sei das kaum machbar.„Hier muss die Politik ran - auch auf lokaler Ebene“, fordert er.

Die Stadt Krefeld könne zum Beispiel die lang geplante Fahrradtrasse endlich bauen. „Rechts und links der Strecke könnten super Hecken und Grünstreifen mit insektenfreundlich Blumen angelegt werden.“ Amends Terrasse ist schon ein grünes Kleinod - ein Paradies für Insekten.

Die Fläche um die vier Bienenstöcke steht voller blühender Pflanzen. Immer wieder summt eins der braun-gelb-gestreiften Nützlinge vorbei. Um seine Erdbeer-, Johannisbeer- oder Apfelernte braucht der Krefelder sich so jedenfalls auch keine Sorgen machen. Mitte Mai und Mitte Juni schleudert der 33-Jährige Honig aus den Waben seiner Bienen - eine Früh- und eine Sommertracht.

An die Krefelder Bürger hat der Naturschützer auch Wünsche: „Nicht nur an sich selbst denken, sondern auch an die folgenden Generationen. Das bedeutet ökologisch handeln.“

Hehre Worte. Große Taten müssten es aber gar nicht sein. „Für Biene und Co. reicht es schon, seinen Garten in ein Paradies für Insekten zu verwandeln“, so Amend. Besonders das Anlegen einer Feldhecke gilt laut dem 33-Jährigen als „wahrer Artenvielfaltsmotor“. Der Naturschutzhof des Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in Nettetal berate zu einem insektenfreundlichen Garten.

Beim Nabu können auch Samen für Blühpflanzen bestellt werden. „Diese Mischungen sollte man nicht im Baumarkt oder Discounter kaufen, denn da weiß man nie, was drin ist,“ empfiehlt der Hobby-Imker. Ganz wichtig für das Anlegen einer Insektenwiese: „Grasnarbe abstechen, säen und alles gut feuchthalten.“Als hätte sie gehört, dass es um Futter geht, umkreist eine von Amends Bienen seine Hand - und lässt sich dann auf der nächsten Erdbeerblüte nieder. Bald werden Marian Amends Völkchen wieder genug „Bloody Honey“ vom Schlachthof zum Verzehr produziert haben. Und die Krefelder können helfen, dass das auch so bleibt.