NRW NRW - Hundert Tage nach der Wahl
Erst nach der Sommerpause geht es richtig los: Der Haushalt wird einiges von dem verraten, was der neuen Regierung wirklich wichtig ist.
Düsseldorf. Der Abgeordnete Stefan Zimkeit wollte es genau wissen. Wie viel denn den Steuerzahler die Umbenennung der zwölf NRW-Ministerien gekostet habe, ließ der SPD-Mann aus dem Landtag in Düsseldorf anfragen. „Rund 26 000 Euro“ antwortete der neue Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Montag.
War diese Investition notwendig? Oder ist das ohnehin alles nur politischer Schabernack zwischen Verbrämten und neuen Sonnenkönigen? Das Justizministerium heißt nun „Ministerium für Justiz“, das „Finanzministerium“ ist nun das „Ministerium der Finanzen“. Die Benennung der Ministerien, erklärte Laschet auf die SPD-Anfrage, orientiere sich „an Bezeichnungen auf der Bundesebene“ und sei „nicht Bestandteil der Anstrengungen der Landesregierung für einen umfassenden Bürokratieabbau“. Das kann man so sagen, immerhin müssen jetzt Hausschilder, Stempel, Siegel, Briefumschläge, Einladungskarten, Urkunden, Telefonansagen und Presse-Präsentationswände geändert werden. Und böse Zungen werden behaupten, das Ganze reihe sich ein in symbolpolitische Gesten, zu denen man auch den Umzug der Staatskanzlei zählen könnte, die nach den Möbelbewegungen in den Herbstferien im alten Landeshaus am Rheinufer zu Hause sein wird. Andere meinen: Dafür gibt es gute Gründe. So geht Politik. Man kann alles von zwei Seiten aus betrachten. Mindestens.
Nichts weniger als die Modernisierung von Nordrhein-Westfalen sei angesagt, darin waren sich CDU und FDP einig. Vor 100 Tagen haben die Menschen in NRW gewählt, seither hat sich einiges bewegt: fast spektakulär gestalteten sich die Koalitionsverhandlungen und der schnelle Abschluss zwischen CDU und FDP. Danach erstellte der neue Ministerpräsident Armin Laschet ein Personaltableau, das alte und neue Kräfte in einem Kabinett vereinigt, das nach der Sommerpause noch weit mehr im Fokus stehen wird als in den jüngeren Wochen der Ferien. Die Ministerpräsident Laschet dort verbrachte, wo er sich wohl fühlt im Sommer: am Bodensee.
Wie stabil wird nun das schwarz-gelbe Bündnis mit nur einer Stimme Vorsprung im Fünf-Parteien-Landtag sein? Muss Laschet sich nach dem Scheitern der hauchdünnen rot-grünen Mehrheit in Niedersachsen Sorgen machen über die Haltbarkeit seiner eigenen Regierung? „Nicht unmittelbar“, sagt der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann. „Es wird die Regierung aber zur Vorsicht gemahnen, auf ihre Schäfchen im Landtag Acht zugeben.“
Das haben Laschet und FDP-Chef Christian Lindner, der sich längst vorhersagegemäß voll auf den Bundestagswahlkampf in Berlin gestürzt hat, zu Beginn weitgehend geschafft. Vor allem dadurch, dass ihr 125-Seiten-Koalitionsvertrag Kernanliegen beider Parteien vereint: Etwa die wählerwirksame Abkehr vom Turbo-Abitur und vom rot-grünen Turbo-Kurs beim gemeinsamen Unterricht für Kinder mit und ohne Behinderung. An diesem Freitag wird die neue Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) ihre Pläne zu G8/G9, Unterrichtsausfall und der umstrittenen Umsetzung von Inklusion in Schulen präsentieren. Spätestens dann geht das Hauen und Stechen um die Schulpolitik in die nächste Runde. Wetten?
Mehr Polizei, Entbürokratisierung, mehr Freiheit für Wirtschaft und Hochschulen, mehr Geld für die Kommunen und ein Durchmarsch bei Digitalisierung und Elektromobilität sind weitere Großvorhaben. Dazu zählt auch, dass Integrations- und Familienminister Joachim Stamp in Kürze ein neues Programm vorstellen wird, mit dem er die Trägerlandschaft in Nordrhein-Westfalen bei den Kindertageseinrichtungen erhalten will.
Vieles ist angekündigt worden, die neu in die Oppositionsrolle gerutschten Sozialdemokraten und Grünen fragen sich derweil, wie das alles umgesetzt und finanziert werden soll. Spätestens mit der ersten Ple arwoche nach den Sommerferien in der 37. Woche des Jahres wird Laschet liefern müssen. Dann soll es eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten geben — wohl zwischen dem 11. und 13. September. Bei der Aufstellung des ersten Landeshaushalts wird es dann zum Schwur kommen, wie ernst es CDU und FDP noch meinen mit ihrer Kritik an der 140 Milliarden Euro hohen Landesverschuldung.