Patienten sollen Hygiene in Kliniken bewerten

Resistente Keime werden weltweit für viele Todesfälle in Krankenhäusern verantwortlich gemacht. Deshalb ist Hygiene seit Jahren ein Dauerthema. In NRW soll jetzt ein Patienten-Fragebogen den Kliniken einen Hygiene-Schub geben.

Eine Ärztin hält ihr Stethoskop in der Faust.

Foto: A3508 Rolf Vennenbernd

Düsseldorf (dpa). Mit Hilfe eines Patienten-Fragebogens will Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) mehr Hygiene in die Krankenhäuser bringen. Dort soll etwa angekreuzt werden, wie ernst das Thema Desinfektion und Händehygiene genommen wurde. Die Teilnahme an der Aktion sei für die Krankenhäuser keine Pflicht, sagte Steffens am Donnerstag in Düsseldorf. Es liege aber im Eigeninteresse jeder Klinik, ihre Hygienestandards zu verbessern.

Schmuck an Armen und Händen oder Nagellack müsse für Klinikpersonal tabu sein, unterstrichen mehrere Hygiene-Experten - Händeschütteln aber nicht. „Der menschliche Kontakt gehört zur Medizin“, sagte der Direktor des Hygieneinstituts der Bonner Universität, Prof. Martin Exner. „Ich möchte auch keine Heime, wo man sich nicht mehr anfasst.“

Unerlässlich sei aber, die Hände zu desinfizieren, etwa bei Kontakt mit Kathetern, Spritzen oder Verbandswechsel. Auch Patienten sollten diese Möglichkeit im Zimmer und in öffentlichen Klinikbereichen haben. Mit alkoholischer Desinfektion sei das in 15 Sekunden erledigt, sagte der Wissenschaftler. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene wäre mehr als ein Drittel der Krankenhausinfektionen durch Hygienemaßnahmen wie Händedesinfektion vermeidbar.

Wer Hygienemängel auch extern bekanntmachen will, kann sich an den Patientenbeauftragten auf dem Gesundheitscampus in Bochum wenden. Nach Daten des Europäischen Zentrums für Krankheitsprävention und Kontrolle ziehen sich bundesweit etwa fünf Prozent der Patienten eine Krankenhausinfektion zu. Der europäische Durchschnitt liegt demnach bei 5,9 Prozent.

Im vergangenen Jahr gab es in NRW nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) 1355 MRSA-Fälle (2012: 1457), bei denen multiresistente Bakterien nachgewiesen wurden. In diesem Jahr sind es bislang 392 Fälle.

Nicht alle Patienten müssten bei Einlieferung in ein Krankenhaus unmittelbar auf multiresistente Keime oder Bakterien getestet werden, sagte der Leiter der Abteilung Infektionskrankheiten am RKI, Prof. Martin Mielke. Die Wissenschaft würde aber begrüßen, wenn Risikopatienten getestet würden. Dazu zählten Patienten, die schon einmal MRSA hatten, chronisch Pflegebedürftige oder Kranke mit einem liegenden Katheter.

„30 Prozent der Patienten müssten gescreent werden“, sagte Mielke. Dies werde von den Kliniken unterschiedlich gehandhabt, berichtete Steffens. An der Universität Münster seien es etwa 70 Prozent, sagte der Direktor des dortigen Instituts für medizinische Mikrobiologie, Prof. Georg Peters.

Die geringere MRSA-Rate in holländischen Krankenhäusern könne nicht allein auf die Infektionstests zurückgeführt werden, unterstrichen die Experten. Holland habe ein ganz anderes Gesundheitssystem, so dass viele Faktoren betrachtet werden müssten, sagte Peters. Dazu gehöre, dass der Durchschnittsholländer sich nur halb so oft klinisch behandeln lasse wie der Durchschnittsdeutsche, ergänzte Mielke. Das spreche aber nicht gegen die deutsche Hochleistungsmedizin, die dem Wohl der Bevölkerung durchaus diene.

Mehr Hygiene sei nicht durch mehr Gesetze zu erreichen, sagte Steffens. „Es geht hier nicht um zusätzliche Kontrolle, sondern um eine Stärkung des Hygienebewusstseins im Krankenhaus.“ Mit dem Fragebogen, den die Krankenhäuser aus dem Internet herunterladen können, sollen die Patienten einbezogen werden.

Die Vorschriften seien ausreichend, bestätigte Peters. „Es wird aber nicht gescheit umgesetzt und kontrolliert.“ Alle Experten wiesen auf das große globale Problem zunehmender Antibiotika-Resistenzen hin. „Wir können es uns nicht länger erlauben, Antibiotika unsachgemäß einzusetzen oder deren Wirkung durch den nicht indizierten Einsatz in der Massentierhaltung zu verlieren“, unterstrich Peters.

Exner forderte, der Hygiene einen höheren Stellenwert in der Ausbildung zu verschaffen. Dies müsse das Bundesgesundheitsministerium bei der anstehenden Novellierung der Approbationsordnung für Ärzte beachten.