Sozialprojekt Prävention — vom Kreißsaal bis zur Lehre
„Kein Kind zurücklassen“: Das Vorzeigeprojekt der Landesregierung spart zwar keine sozialen Kosten — Rot-Grün ist dennoch zufrieden.
Düsseldorf. „Kein Kind zurücklassen“. Der Name des Projektes, eine Herzensangelegenheit der rot-grünen Landesregierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) seit diese 2010 an den Start gegangen ist, klingt zwar ehrgeizig, liefert der Opposition und anderen Interessengruppen aber auch die ein oder andere Steilvorlage. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) haute der Regierung die nicht zurückzulassenden Kinder erst am Mittwoch genüsslich um die Ohren — mit Blick auf die angeblich fehlenden Lehrerstellen an Grundschulen.
Das hält Kraft freilich nicht davon ab, ein positives Fazit des Projektes zu ziehen. „,Kein Kind zurücklassen’ ist ein Erfolg, und wir wollen die vorbeugende Politik in Nordrhein-Westfalen fortsetzen“, sagt sie am Donnerstag bei der Vorstellung des Abschlussberichtes der Bertelsmann-Stiftung, die das Projekt finanziell und wissenschaftlich begleitet hat. „Kein Kind zurücklassen“ habe den Praxistest bestanden.
18 Modellkommunen — unter anderem Düsseldorf, Wuppertal und der Kreis Düren — haben sich daran beteiligt, nach dem Sommer wird das Projekt für alle NRW-Städte und Kreise geöffnet. Details will die Regierung im Herbst bekanntgeben.
Von dem Programm, das dann vom Modellprojekt zum Regelfall erhoben wird, profitieren Kinder und Jugendliche aus sozial schwierigen Verhältnissen und benachteiligten Familien. Sie und vor allem ihre Eltern erhalten früh Hilfsangebote. Die 18 Modellstädte und -kreise haben sogenannte Präventionsketten aufgebaut, die die Kinder von der Geburt bis zum Eintritt ins Berufsleben begleiten. Dafür arbeiten Kitas, Schulen, Ärzte, Hebammen, Sportvereine, Jugendämter und die Polizei eng zusammen. Nach dem Motto „vorbeugen ist besser als heilen“ (Kraft) sollen später aufwendige und vor allem teure Maßnahmen vermieden werden.
Zumindest die Vorbeugung scheint zu funktionieren. „Wir konnten nachweisen, dass Prävention den betroffenen Kindern hilft“, sagt Brigitte Mohn vom Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Vorbeugung sei eine Zukunftsinvestition, aber „kein Sparprogramm“. Genau da liegt der Hase im Pfeffer. „Wir konnten nicht nachweisen, dass die Kommunen innerhalb der vierjährigen Projektlaufzeit soziale Kosten eingespart haben“, sagt Mohn. Für Wolfgang Spelthahn (CDU), Landrat des Kreises Düren, ist das zunächst nebensächlich: „Bei uns im Kreis hat das Projekt zu einer echten Aufbruchsstimmung geführt.“
Bei der Opposition freilich nicht. „Die Ministerpräsidentin verschanzt sich hinter ihrem Vorzeige-Modellprojekt, während die Kinder zu den Leidtragenden der wachstumsfeindlichen Politik von Rot-Grün werden“, sagt Bernhard Tenhumberg, der familienpolitische Sprecher der CDU im Landtag. Die Lebensbedingungen von Kindern seien heute sogar schlechter als zu Beginn des Projekts.