Nach Fall auf Campingplatz Reul: Kampf gegen Kinderpornografie in NRW wurde bisher „total unterbewertet“
Düsseldorf · Der Fall Lüdge macht immer noch fassungslos: NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat über die weiteren Ermittlungen zum massenhaften Missbrauch auf einem Campingplatz informiert - und spricht erneut von einem Behördenversagen.
Die Arbeit der Kinderpornografie-Ermittler in NRW sei bislang „total unterbewertet“ worden. Das stellte Innenminister Herbert Reul (CDU) im Innenausschuss an diesem Donnerstag klar, als er über die Ermittlungen zum Missbrauchsfall auf einem Campingplatz in Lügde Bericht erstattete. Mittlerweile sind 31 Opfer - 27 Mädchen und vier Jungen - identifiziert. Die Suche nach möglichen weiteren Opfern laufe derzeit aber auf Hochtouren.
„Ich bin und bleibe fassungslos“, sagte Reul und nahm seine Aussage, es habe ein Behördenversagen in dem Fall gegeben, bewusst nicht zurück: „Das habe ich so empfunden und ich empfinde es noch so“ Er bezog sich auf einen vertraulichen Bericht mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen, wonach es zahlreiche Hinweise auf den Missbrauch im Vorfeld gegeben hatte: „Meine Oma hätte gemerkt, dass da etwas nicht stimmt!“
Die Kreispolizeibehörde Lippe zeige ein hohes Interesse, die Vorwürfe gegen die beiden Beamten aufzuklären und habe gegen sie Disziplinarverfahren eingeleitet. Da es strafrechtliche Ermittlungen gebe, seien diese Verfahren vorerst ausgesetzt - allerdings ist zu hören, dass sich strafrechtlich ein Anfangsverdacht wegen Strafvereitelung im Amt schwer erhärten lässt, da dieser einen Vorsatz voraussetzt. Die Polizei in Lippe habe zudem Maßnahmen getroffen, um eine Wiederholung des Falls in der Zukunft zu verhindern - darunter ein verstärkter Dialog mit den Jugendämtern, eine direktionsübergreifende Arbeitsgruppe und eine Qualitätssicherung bei der Überprüfung von Hinweisen auf sexuelle Gewalt.
Mit dem Ermittlungskomplex hat Reul inzwischen das Polizeipräsidium Bielefeld beauftragt, dass eine Besondere Aufbauorganisation (BAO) mit 51 Bediensteten eingerichtet hat. Es wird unterstützt vom LKA sowie den Polizeipräsidien Düsseldorf, Dortmund, Essen, Köln und Münster. Zudem habe er veranlasst, dass die Ermittler in Bielefeld mit einer Software ausgestattet werden, die automatisch Gesichter in den vier Terabyte gesicherten Datenmaterials erkennt und hilft, weitere Kinderpornos zu erkennen. Er habe die Sorge, dass noch weitere Kinder betroffen sein könnten, die es schnellstmöglich aufzuspüren gelte.
Der Innenminister verwies im Innenausschuss auch darauf, dass er ein erstes Maßnahmenpaket für die Bekämpfung der Kinderpornografie bereits vor Lügde auf den Weg gebracht habe. „Wir müssen uns richtig was einfallen lassen. Das geht so nicht weiter“, erklärte er den Landtagspolitikern. Der Deliktsbereich sei politisch lange kaum wahrgenommen worden. Er habe die Fachstelle im LKA bereits mit 20 zusätzlichen Stellen für Regierungsbeschäftigte ausgestattet und 117 spezielle Computer zur Auswertung der Datenmengen angeschafft. Wichtig seien auch Seminare für die extrem belasteten Ermittler: Fünf Seminare zur Stressbewältigung mit 50 Plätzen seien für 2019 geplant.
Die Diskussion im Fachausschuss verlief ungewöhnlich harmonisch, auch SPD und Grüne betonten, sich bei diesem brisanten Thema nicht streiten zu wollen und signalisierten Zustimmung für kommende Maßnahmen gegen Missbrauch und Kinderpornografie. Gregor Golland (CDU) warf zudem die Frage auf, ob ein höheres Strafmaß sinnvoll wäre - eine Sache für den Bundesrat - und erntete zustimmendes Kopfnicken des Wuppertaler SPD-Abgeordneten Andreas Bialas.