Schule: Zwei-Klassen-Gesellschaft im Lehrerzimmer
Düsseldorf. Angestellte Lehrkräfte verdienen hunderte Euro weniger als ihre verbeamteten Kollegen.
Düsseldorf. In der Broschüre des NRW-Schulministeriums klingt es verlockend. Auf 36 Seiten wird der Lehrerberuf als "Beruf mit Perspektive" angepriesen, als vielseitig, spannend, anspruchsvoll und fordernd.
Und als Tüpfelchen auf dem i verspricht Ministerin Barbara Sommer (CDU), dass bis 2020 an den Schulen im Land rund 85000 Stellen neu besetzt werden müssen. Keine Rede ist jedoch von der Zwei-Klassen-Gesellschaft in Lehrerzimmern.
"Verbeamtete und angestellte Lehrer haben zwar die gleiche Ausbildung, arbeiten unter gleichen Bedingungen am gleichen Arbeitsort und unterrichten dieselben Schüler", sagt Jürgen Ploch von der Schutzgemeinschaft angestellter Lehrerinnen und Lehrer in NRW (Schall).
"Doch wenn es um Einkommen und Kündigungsschutz geht, schneiden die rund 33000 nicht verbeamteten Lehrer schlecht ab - monatlich gibt’s für sie mehrere hundert Euro weniger."
Besonders groß sind die Unterschiede, seit der für angestellte Lehrer geltende Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) Ende 2006 durch den Tarifvertrag TV-L ersetzt wurde. "Lag das Verdienst-Minus im BAT schon bei 20Prozent, sind dann noch einmal 15Prozent Minus dazugekommen", rechnet Ploch vor.
Ortszuschläge entfallen, Berufsjahre werden beim Einstiegsgehalt nicht mehr berücksichtigt. Zusammen mache das im Laufe eines Erwerbslebens "ein Einfamilienhaus mit Grundstück" aus.
In der Öffentlichkeit werde das Problem heruntergespielt, so der Schall-Chef. Denn brutto fallen die Unterschiede kaum auf. Jedoch sind die Abzüge bei Angestellten wegen des abgehenden Sozialversicherungsanteils höher. Ploch: "Beamte zahlen diesen Anteil nicht, weil sie als Landesdiener keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung leisten." Stattdessen werden die Pensionen aus der Landeskasse finanziert.
Begünstigt wird die Zwei-Klassen-Gesellschaft durch die Einstellungspraxis im Land. Im Vergleich zu anderen Bundesländern fährt NRW eine harte Linie: Die Höchstaltersgrenze, um verbeamtet zu werden, liegt bei 35Jahren. Und diese Grenze wird schnell überschritten.
So werden Berufseinsteiger nach abgeschlossenem Referendariat häufig mit zeitlich befristeten Verträgen vertröstet - etwa als Schwangerschaftsvertretungen. Seiteneinsteiger sind in der Regel ebenfalls über 35, wenn sie unterrichten.
"Schuld ist auch der Einstellungsstopp in den 80er Jahren", weiß Ploch. "Wegen der hohen Lehrerarbeitslosigkeit arbeiteten viele jahrelang in anderen Bereichen, bis sich das Land wieder Lehrer leisten konnte." Durchs "Alters-Raster" fielen zudem Berufspädagogen, die erst auf dem zweiten Bildungsweg ein Lehramtsstudium absolvierten.
Schall fordert eine rechtliche und finanzielle Gleichstellung aller Lehrkräfte. Doch auf große Unterstützung kann der Verein nicht hoffen. "Gewerkschaften und Verbände sind nicht wirklich daran interessiert, für die Aufhebung dieser Ungerechtigkeit zu kämpfen", so Ploch.
Sie fürchteten, dass eine gerechtere Bezahlung der Angestellten nur bei einer Beschneidung der Beamtenprivilegien zu realisieren sei. Schall sieht zwei Alternativen: dass angestellte Lehrer bei gleich bleibender Bezahlung weniger Stunden leisten oder dass die Lebensarbeitszeit verkürzt wird.
Unter dem Motto "Solidarisch bis zur Unterbezahlung" steht heute der Landes-Angestelltentag, 11-16 Uhr, LWL-Museum für Archäologie, Herne.