Schulsport in NRW: Stiefkind Sportunterricht
Viele Kinder haben motorische Störungen. NRW setzt deshalb auf die Handball-Euphorie.
Düsseldorf. Einen Ball fangen? Mit beiden Beinen springen? Für viele Kinder ist das eine fast unlösbare Aufgabe. Sportwissenschaftler und Mediziner schlagen Alarm, denn die Zahl der Mädchen und Jungen mit motorischen Bewegungsstörungen und starkem Übergewicht nimmt seit Jahren kontinuierlich zu.
"Die Entwicklung im Gesundheitswesen ist dramatisch", betonte Professor Joachim Mester von der Sporthochschule Köln kürzlich bei einer Veranstaltung der Sportstiftung NRW. Schon kleine Kinder zeigten die gleichen Krankheitssymptome wie alte Menschen. Der Grund: fehlende Bewegung. Das Hauptaugenmerk der Wissenschaft liegt deshalb auf dem Schulsport. Dort sollen motorische Fähigkeiten entwickelt, die Freude an der Bewegung vermittelt und Teamfähigkeit erlebt werden - so die Theorie.
Die erste nationale Schulsportuntersuchung "Sprint" kam bereits 2004 zu dem Schluss, dass fast jede vierte Sportstunde ausfällt. Jede fünfte Lehrkraft ist fachfremd - in NRW-Grundschulen liegt der Anteil sogar bei bis zu 80 Prozent. Zudem ist die Sportlehrerschaft überaltert. Statt den Schülern die Chance zu geben, ihre Fähigkeiten auf vielfältige Weise auszuprobieren, belassen es viele Pädagogen bei den traditionellen Sportarten wie Leichtathletik und Geräteturnen. Experten zufolge ist es aber wichtig, aktuelle Strömungen zu nutzen.
Tägliche Sportstunde: Drei Wochenstunden Sport sind an NRW-Grundschulen die Regel, an 25 Schulen läuft darüber hinaus das Pilotprojekt "Eine tägliche Sportstunde". Vier Jahre lang (bis 2008) werden Bewegung, Spiel und Sport in den Unterricht eingebaut, um die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder zu fördern.
Schwimmen in der Schule: Laut einer Studie der Uni Bielefeld sind fast 30 Prozent der Kinder in NRW beim Wechsel auf die weiterführende Schule Nichtschwimmer. Das Land hat deshalb im Oktober die Initiative "Quietschfidel - Ab jetzt für immer: Schwimmer" ins Leben gerufen. Der Schwimmunterricht soll gestärkt werden.
Qualitätsentwicklung: NRW schickt Schulinspektoren durchs Land, die die Stärken und Schwächen der Schulen erfassen. Dabei sollen sie in Zukunft auch den Schulsport mit Blick auf Lernprozesse, Gestaltung und Räumlichkeiten kritisch untersuchen.