NRW SPD in NRW will raus aus dem Tief
Noch-Parteichef Groschek präsentiert seinen designierten Nachfolger und dessen „Generalin“.
Düsseldorf. Knapp ein Jahr brauchte die NRW-SPD, um nach Wahlniederlage und Machtverlust in Düsseldorf den Generationswechsel einzuleiten. Hatten bislang noch Michael Groschek (61) als Übergangsvorsitzender und Norbert Römer (71) als Fraktionsvorsitzender das Wundenlecken moderiert, soll es nun einen Neuanfang geben. Groschek stellte am Dienstag den Medien seinen designierten Nachfolger Sebastian Hartmann und dessen designierte Generalsekretärin Nadja Lüders vor. Und: Die Landtagsfraktion zieht ihre eigentlich für Ende Mai geplante Wahl eines neuen Leitwolfs auf den 24. April vor.
Doch zunächst zum neuen Vorsitzenden, so ihn denn der Landesparteitag Ende Juni auf diesen Posten wählt. Sebastian wer?, hatten viele gefragt, als der Name bereits vor mehr als einer Woche durchgesickert war, bevor er am vergangenen Sonntag offiziell von der „Personalfindungskommission“ der SPD bekannt gegeben wurde. Wie er denn Bekanntheit und Profil erlangen wolle, wird der 40-Jährige denn auch am Dienstag gefragt.
Da können ein paar flotte Sätze nicht schaden, denkt er sich wohl. Es komme darauf an, dass die nordrhein-westfälische Stimme in Berlin gehört werde, sagt er. Was nicht ganz ohne Witz ist, weil ja gerade der SPD unter Hannelore Kraft immer vorgehalten wurde, in Berlin nicht präsent genug zu sein. Hartmann dreht den Spieß um und sagt: „Das ist deswegen notwendig, weil die NRW-CDU in Berlin ein Totalausfall ist. Und die FDP sich verweigert hat, weil ein Typ im Unterhemd das allein entschieden hat.“ Damit meint er natürlich FDP-Chef Christian Lindner unter Anspielung auf dessen Plakat-Porträts im NRW-Wahlkampf und die von Lindner verkündete Absage an eine Jamaika-Koalition.
In Düsseldorf ist Sebastian Hartmann ein unbeschriebenes Blatt. Der 40-Jährige ist schon seit Jahren Vorsitzender der SPD Rhein-Sieg und wurde 2013 und dann wieder 2017 über die Landesliste in den Bundestag gewählt. Und nun will er in der Landes-SPD „den Umbruch organisieren“. „Ich will durch das ganze Land gehen, damit die SPD kräftiger und stärker wird denn je“, verspricht er. Es soll eine starke Kommunalwahl 2020 organisiert werden, denn die Kommunalpolitiker seien „eine starke Wand der SPD, die die gesamte Kraft der Partei auf die Straße bringen wird“, sagt er. Und schiebt noch ein „Jetzt geht’s los“ hinterher.
Ob er denn auch schon plane, als Spitzenkandidat für die SPD für die Landtagswahl 2022 anzutreten, wird er gefragt. Er wolle erst mal Landesvorsitzender werden, antwortet Hartmann. „Alle anderen Fragen werden zu gegebener Zeit beantwortet.“ In der SPD gebe es viele, die den CDU-Spitzenmann Armin Laschet schlagen können, sagt er. Und: „Wir werden am Wahlabend 2022 als SPD in NRW eine Riesenfete haben.“
Gut gebrüllt. Und inhaltlich? Wofür steht Hartmann? Da fällt ihm ein, dass nur seine SPD den gesellschaftlichen Wandel organisieren könne. Bei der digitalen Transformation stünden Hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel, nur seine Partei könne verhindern, dass hier „eine ganze Gruppe auf der Strecke bleibt“. Die SPD müsse „klarer in ihren Aussagen werden, mehr in Hauptsätzen reden“.
Das werde er mit „meiner Generalsekretärin“ anpacken, sagt er mit Blick auf die neben ihm stehende Nadja Lüders. Als seien die beiden schon gewählt. Und auch Lüders gibt sich da schon ziemlich sicher, Die 1970 geborene Rechtsanwältin ist seit 2010 Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Dortmund. Sie freue sich riesig, sagt sie, sie werde jetzt mit Hartmann „durch das Land tingeln und uns vorstellen“. Das Gefühl, dass die SPD sich nur mit sich selbst beschäftige, müsse abgelöst werden durch den Übergang zur Attacke.
Aber vor der Attacke steht erst noch die Wahl des neuen Spitzenpersonals. Das ist freilich Sache des Landesparteitags am 23. Juni. Ob das bisherige Verfahren denn eigentlich transparent abgelaufen sei, wird Groschek gefragt. Der gibt sich überrascht. Natürlich. Das Verfahren sei „an Transparenz gar nicht zu überbieten“. Der Landesvorstand habe einstimmig Mitte März beschlossen, dass eine Personalfindungskommission ein neues Spitzentableau vorschlagen soll. Und diese Kommission wiederum habe sich einstimmig auf die beiden von ihm vorgestellten Genossen geeinigt.
Dass bei solchen Fragen auch immer Fragen des regionalen Proporzes eine Rolle spielen, bestreitet er nicht. Ein Ballungsraum dürfe nicht 99 Prozent aller Funktionen vereinen. Der Landesvorstand müsse möglichst alle Landesteile abdecken. Natürlich dürfe auf dem Parteitag am 23. Juni in Bochum jedes Mitglied mit den erforderlichen Mindestanforderungen kandidieren, sagt der alte Fuchs, fügt indes warnend hinzu: „Aber nicht jedes Mitglied, das das Recht hat zu kandidieren, hat auch die Fähigkeit, Spitzenfunktionen auszufüllen. Das wird der Parteitag gewichten.“
Was macht er eigentlich selbst nach dem Parteitag? „Mal gucken“, antwortet Groschek. Er habe noch kein Jobangebot, versichert er.
Und in der Fraktion, die die Geschicke der SPD im Landtag bestimmt — wie geht es da weiter? Hier hält sich der Noch-Parteichef zurück. Verweist nur darauf, dass sich für die Nachfolge von Norbert Römer Kandidatinnen und Kandidaten noch bis zum 17. April melden könnten. Kampfabstimmung nicht ausgeschlossen. Als Anwärter gelten Partei-Vize Marc Herter (43), Ex-Justizminister Thomas Kutschaty (49) und der Kölner Martin Börschel (46). Herter werden gute Chancen eingeräumt, weil er der Region Westliches Westfalen angehört, die derzeit von allen vier SPD-Regionen die meisten Fraktionsmitglieder stellt.
Auch eine neue Parlamentarische Geschäftsführung wird am 24. April gewählt. Hier werden der Duisburger Landtagsabgeordneten Sarah Philipp (35) gute Chancen eingeräumt.