Halbierung der Beiträge Straßenausbaubeiträge - Grundstückseigentümer werden entlastet

Düsseldorf · Die NRW-Regierung hat nach monatelanger Diskussion neue Regelungen der Straßenbaubeiträge durchgebracht. Grundstückseigentümern werden demnach ab Januar spürbar entlastet. Die SPD droht mit Verfassungsklage.

Straßenausbau ist teuer. Bisher zahlen die Anlieger allein, ab 2020 beteiligt sich das Land NRW mit jährlich 65 Millionen Euro aus Haushaltsmitteln.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Nach monatelanger, erbittert geführter Diskussion hat die schwarz-gelbe Koalition am Mittwoch ihr „Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes“ durchs Parlament gebracht – gegen den Widerstand der Opposition: Grundstückseigentümer werden von der Hälfte der bisher fälligen Straßenausbaubeiträge entlastet.

Im Landtag stellte Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) die nun beschlossenen Regelungen vor. Und hielt dabei rhetorisch trickreich insbesondere der SPD vor, dass sie all die darin für Grundstückseigentümer vorgesehenen Segnungen nicht wolle. Scharrenbach zählte  auf: Die SPD lehne eine Entlastung der Grundstückseigentümer von jährlich 65 Millionen Euro ab. Auch sage die Opposition Nein zu dem Vorhaben, dass die Bürger frühzeitig in die Planung des Straßenausbaus einbezogen werden. Dass der Zinssatz für Stundungen der Beträge von derzeit sechs Prozent deutlich abgesenkt werde und dass es wesentlich großzügigere Stundungsregelungen gebe – auch das lehne die Opposition mit ihrem Nein zu dem Gesetz ab.

Als sie noch regierten, blieben SPD und Grüne untätig

Eine Argumentation, die nahelegen soll, dass SPD, Grüne und auch AfD den Grundstückseigentümern nichts Gutes gönnen. Was freilich ganz und gar nicht so ist. Schließlich wollen die Neinsager die Grundstückseigentümer komplett von den Straßenausbaubeiträgen entlasten. Und wäre es so gekommen, wie es die Opposition mit ihrem Nein erreichen wollte, dann wäre es auf all die Aspekte, die Scharrenbach ihren Gegnern rhetorisch um die Ohren schlug, gar nicht mehr angekommen. Über Stundung oder Härtefälle müsste dann gar nicht mehr diskutiert werden.

Dennoch können sich SPD und Grüne nicht als glaubwürdige Fürstreiter der Grundstückseigentümer in Szene setzen. Guido Déus (CDU) erinnerte die heutige Opposition daran, dass sie in ihren Regierungszeiten viel Gelegenheit gehabt habe, das Gesetz zu ändern. Noch im Januar 2017, also kurz vor dem Regierungswechsel, habe sich die SPD gegen eine Neuregelung ausgesprochen. CDU und FDP dagegen, so betonte der CDU-Abgeordnete, würden die Anlieger nun massiv entlasten. „Aus 20 000 Euro Beitrag werden 10 000 Euro. Aus 10 000 Euro Beitrag werden 5000“, rechnete Déus vor.

Anerkennung und Kritik gegenüber Steuerzahlerbund

Dass Schwarz-Gelb die Wohltat gegenüber den Anliegern nicht aus eigenen Antrieb in die Spur brachte, gab der CDU-Politiker offen zu. Die vom Bund der Steuerzahler angestoßene Volksinitiative mit ihren knapp 500 000 Stimmen, die freilich die komplette Abschaffung der Straßenausbaubeträge gefordert hatte, verdiene den Respekt der Politik. Dass man darauf reagiere, sei „Ausdruck unseres funktionierenden demokratischen Systems“, wie Déus es nannte. „Mehr geht immer“, sagte er in Richtung Opposition, „aber mehr muss auch bezahlbar bleiben“.

Gemeint ist: Jede Entlastung der Grundstückseigentümer muss gegenfinanziert werden. Auch FDP-Mann Henning Höhne hielt die Nonchalance, mit der die Kosten auf den Steuerzahler abgewälzt werden sollen – bei einer kompletten Abschaffung der Beiträge in noch viel stärkerem Maß – nicht nur der Opposition, sondern auch dem Bund der Steuerzahler entgegen.  Zwar gesteht er dem Verband zu, dass die jetzt beschlossene Entlastung der Grundstückseigentümer ein Erfolg der Volksinitiative sei. Ein Verband, der sich selbst als Wächter der Steuerzahler bezeichnet, müsse aber auch erklären, wie er zu seiner Haltung kommt, die im Gesetzgebungsverfahren offenbar geworden sei. In einer parlamentarischen Anhörung sei davon die Rede gewesen, die Gegenfinanzierung müsse eben „irgendwie weggedrückt werden“. Höhne: „Würde der Finanzminister einen solchen Satz sagen, dass ein großer Ausgabenposten im Haushalt irgendwie weggedrückt werden kann, dann wäre der Steuerzahlerbund wohl der erste, der das in seinem jährlich erscheinenden Schwarzbuch aufspießt.“ Der SPD hielt Höhne vor, dass die Wähler sehr wohl wüssten, „dass Ihre 180-Grad-Wende nichts mit einem Wechsel in Ihrer Überzeugung zu tun hat, sondern mit Ihrem Wechsel in die Opposition“.

Nun wird es also zunächst mal zu der Teil-Entlastung der Grundstückseigentümer, nicht aber zu einer völligen Befreiung von den Straßenausbaubeiträgen kommen. Doch weder SPD noch Steuerzahlerbund werden sich damit abfinden. Die SPD droht mit Verfassungsklage. Denn es sei unklar,  welchen finanziellen Mehraufwand die Neuregelung für die Kommunen nach sich ziehe. Auch Rik Steinheuer, Chef des Steuerzahlerbunds NRW, hatte schon vor der Landtagsdebatte bemängelt: „Der Erhebungsaufwand, der in manchen Kommunen schon heute die Hälfte Beitragseinnahmen auffrisst, wird durch Bürgerbeteiligung, Ratenzahlung und Förderanträge noch weiter steigen.“ Dieses Mehr an Bürokratie für die Kommunen und das Land verwässere den positiven Effekt der Gesetzesänderung.

Mehrdad Mostofizadeh von den Grünen sieht es ähnlich. Es ergebe doch keinen Sinn, mit den Beiträgen der Grundstückseigentümer Verwaltungsangestellte zu beschäftigen, sagte er. Und SPD-Mann Stefan Kämmerling zitierte ein Lieblingswort von Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP), der bekanntlich gern von einer Entfesselung der Wirtschaft rede, möglich gemacht durch die schwarz-gelbe Politik. Bei einer vollkommenen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, so Kämmerling, komme es zu einer Entfesselung von 396 Städten und Gemeinden in NRW, weil diese sich dann gar nicht mehr mit der Bürokratie um die Erhebung der Straßenausbaubeträge befassen müssten.