Trend: Städte übertragen Sitzungen ins Netz
Städte in NRW überlegen, ihre Ratssitzungen ins Netz zu übertragen. Die Bonner können schon lange vom heimischen Wohnzimmer aus zusehen, wenn der Rat debattiert. Die Livestreams sind aber umstritten.
Bonn/Essen/Wuppertal. Rauchverbot auf Spielplätzen, ein neuer Name für eine Realschule, größere Sicherheit in der Stadt: Die Ratsmitglieder in Bonn arbeiten in ihren Sitzungen jeden Monat eine Menge Themen ab. Im Durchschnitt schauen ihnen dabei 400 bis 700 Menschen über die Schulter - über das Internet. Denn seit drei Jahren überträgt die Stadt ihre Ratssitzungen live ins Netz. Jetzt machen weitere Kommunen in NRW das Online-TV aus dem Rathaus salonfähig.
Die Stadt Essen beschloss Ende Juni, künftig einen Livestream der Ratssitzungen ins Netz zu stellen. Die Verwaltungen in Krefeld und Bottrop erarbeiten zurzeit Vorschläge. In Warburg und Wuppertal wurde die Idee dagegen abgelehnt.
Dass die Bürger den Ratsmitgliedern auf die Finger schauen, ist nichts Neues. In allen nordrhein-westfälischen Städten können sie bei den Sitzungen dabei sein. Früher ging das aber nur persönlich im Rathaus. Das Interesse daran ist gering: „Wenn es voll ist, sind etwa 30 bis 40 Zuschauer auf den Besucherrängen“, sagt eine Sprecherin der Stadt Bonn - anders als im Netz, wo meist mehrere hundert Menschen zugucken. Sie sind zwar oft nicht die ganze Zeit online, klicken sich aber mehrfach pro Sitzung ein, zeigen die Zahlen der Stadt.
Die Live-Übertragungen sorgten für Transparenz, die Bürger könnten Einblicke in die politische Arbeit bekommen, sagt Thorsten Sterk von der Bürgerinitiative Mehr Demokratie: „Die Ratsinformationssysteme im Internet sind ja recht trocken.“
Volker Mittendorf von der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung in Wuppertal gehen die Livestreams nicht weit genug. Die Idee sei zwar konsequent im Sinne des Parlamentarismus - schließlich habe das Plenum einen Öffentlichkeitsauftrag. „Besser wäre es jedoch, wenn die Protokolle der Sitzungen ausführlicher aufbereitet im Netz zu finden wären“, findet Mittendorf. „Das würde der politischen Diskussionskultur mehr bringen als ein reiner Livestream.“
Bedenken gegen das Online-TV haben derzeit noch manche Ratsmitglieder - unter anderem wegen der Kosten. In Wuppertal sei der Antrag Anfang des Jahres abgelehnt worden, weil sich die Stadt damals noch im Nothaushalt befunden habe, sagt eine Sprecherin. Die Stadt Bonn hat 4000 Euro in die Ausstattung investiert. Jährlich hat sie rund 1000 Euro Personalkosten.
Aus Datenschutzgründen werden die Sitzungen nicht im Internet gespeichert - und vor jeder Sitzung muss jedes Mitglied seine Zustimmung zur Aufzeichnung geben. „Bislang hat sich noch nie jemand dagegen gewehrt“, sagt die Sprecherin der Stadt Bonn.
„Die Politiker werden merken, dass ihnen Live-Übertragungen nützen können“, meint Martin Lehrer vom Städte- und Gemeindebund NRW. „Sie haben dadurch die Möglichkeit, die Ratsarbeit nach außen zu tragen.“ Lehrer glaubt, dass in den kommenden Jahren immer mehr Städte mitmachen werden.
Auf dem Weg zur „Liquid democracy“, einer „Mischform zwischen direkter und indirekter Demokratie“, wie sie die Piratenpartei vorantreibt, sind die Räte in NRW aber nicht. Die Bürger können sich über das Netz nicht in die Ratssitzungen einmischen. Etwas mehr Potenzial zur Bürgerbeteiligung bergen die Übertragungen im Netz aber noch, glaubt Thorsten Sterk: „In Zukunft könnten die Bürger während der Sitzung im Netz über die Themen diskutieren.“