Trotz rot-grüner Schlappe sind Neuwahlen in NRW kein Thema

Die NRW-Verfassungsrichter haben den Nachtragshaushalt der rot-grünen Minderheitsregierung vorerst teilweise gestoppt. CDU und FDP triumphieren. Neuwahlen sind für sie aber derzeit kein Thema.

Düsseldorf. CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen jubeln. Das Landesverfassungsgericht hat der Opposition mit der einstweiligen Anordnung zum Nachtragshaushalt 2010 beschert, was ihr im Landtag bislang nicht gelungen ist: ein Erfolg über die rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Das Gericht habe Rot-Grün mit seiner historischen Entscheidung einen „K.o.-Schlag“ versetzt, heißt es bei CDU und FDP.

Doch von Neuwahlen wollen sie derzeit nichts wissen - zu schwach sind die Umfragewerte der Opposition im bevölkerungsreichsten Bundesland. Die FDP müsste sogar um die Rückkehr in den Landtag bangen, wenn die Wähler jetzt zur Urne gerufen würden.

Für FDP-Fraktionschef Gerhard Papke steckt Rot-Grün zwar in der ersten schweren Regierungskrise seit Bildung der Minderheitsregierung im vergangenen Sommer. Neuwahlen sind für ihn aber nicht die zwangläufige Konsequenz: „Wenn die Regierung in der Haushaltspolitik scheitert, ist nicht das Parlament am Ende, sondern die Regierung.“

CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann sieht es ähnlich: „Durch Neuwahlen wird der Haushalt nicht verfassungskonform.“ Der Ball liege jetzt bei Kraft, ließ CDU-Landeschef Norbert Röttgen in Berlin wissen. Die Regierungschefin müsse einen haushaltspolitischen Neuanfang machen und neue Etats für 2010 und 2011 vorlegen. Erst wenn sie damit scheitere, seien Neuwahlen ein Thema.

Dazu müsste sich der Landtag aber mit absoluter Mehrheit auflösen. Weder Rot-Grün allein noch CDU und FDP hätten dazu die ausreichende Zahl der Stimmen. CDU und FDP haben sich bereits den vergangenen Tagen als Nothelfer angeboten. Die CDU sei bereit, eine bessere Regierung zu bilden, hatte Laumann schon vor der Entscheidung des Verfassungsgerichts versichert.

Und Papke brachte über das Wochenende die im Sommer auch an seinem Nein gescheiterte Ampelkoalition wieder ins Spiel. Für Kraft, die bisher unerwartet reibungslos regieren konnte, ist der Paukenschlag aus Münster die erste schwere Schlappe. Bisher hat Rot-Grün im Landtag trotz einer fehlenden Stimme keine Niederlage erlitten.

In den wichtigen Abstimmungen hat die Linkspartei der Minderheitsregierung durch Stimmenthaltung zur Mehrheit verholfen. Beim Nachtragsetat stimmten sogar einige Angeordnete der Linken, wenn auch versehentlich, mit Rot-Grün. Die direkten Auswirkungen der einstweiligen Anordnung sind aus Sicht der Landesregierung gering.

„Es ist nicht der komplette Vollzug ausgesetzt worden“, lautete Krafts erste öffentliche Reaktion. Sie steht durch die Entscheidung der Verfassungsgericht keineswegs ohne Geld da. Einen „etatlosen Zustand“ gebe es nicht, stellten die Richter ausdrücklich fest. Das Land dürfe offene Rechnungen aus dem vergangenen Jahr Land bezahlen. Wenn es dafür keine flüssigen Mittel habe, könnten aktuell nicht benötigte Rücklagen genutzt werden.

Verboten haben sie der Landesregierung, die mit dem Nachtrag genehmigten zusätzlichen Kredite auch aufzunehmen. Deutlich schwieriger könnte es für Kraft aber werden, wenn ihr die Richter mit ihrer Entscheidung Zügel für den Haushalt 2011 anlegen. Darin plant Rot-Grün nur eine leicht geringere Neuverschuldung von 7,8 Milliarden Euro, die weiterhin klar über der verfassungsrechtlich zulässigen Kreditgrenze liegt.

Die Auflage des Landesverfassungsgerichts, keine neuen Kredite auf Grundlage des
Nachtrags aufzunehmen, gefährde nicht den Haushaltsvollzug, bestätigte auch
Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD).
Anders als von der Opposition beantragt, müsse er den Vollzug des Haushaltsgesetzes weder vollständig aussetzen noch Schritte rückgängig machen, sagte der Finanzminister. In seinem Beschluss erlaubedas Gericht der Landesregierung ausdrücklich, bei Liquiditätsengpässen auf Rücklagen oder Sondervermögen zurückzugreifen. Auch die Planungen für den Etat 2011 seien von der Entscheidung nicht betroffen.

Die Linke hat aber bereits erklärt, dass sie Sparmaßnahmen beim Personal, den größten Ausgabenbrocken des Landes nicht mitmachen will.

Die Grünen hatten deshalb schon betont: Wenn der Etat im Landtag scheitere, seien Neuwahlen die zwangsläufige Folge. Die stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann (Grüne), schloss am Dienstag jedoch Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt strikt aus. Die einstweilige Verfügung des Landesverfassungsgerichts gegen neue Kredite bedeute „überhaupt nichts, außer dass wir selbstverständlich keine Kredite aufnehmen“, sagte die Schulministerin dem „Handelsblatt“ (Mittwoch). „Die Aufregung ist völlig unangemessen. Sie zeigt nur den Zustand, in dem sich die Opposition befindet.“