Digitalisierung VRS will Viererticket abschaffen
Entwerter kosten zu viel Geld — Ersatz sollen Handytickets bieten. Der VRR setzt eher auf Anreize und entwickelt eine App für den ganzen Verbund.
Düsseldorf. Weg vom Papier, hin zum digitalen Ticket — diesen Trend hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) mit seiner Ankündigung befeuert, bis 2019 ein einheitliches elektronisches Bezahlsystem für Deutschland einführen zu wollen. Jetzt will ein NRW-Verkehrsunternehmen einen großen Schritt weg vom Papierfahrschein gehen: Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) denkt laut über eine Abschaffung des beliebten Vierertickets nach — weil es als einziges noch die pflegeaufwändigen Entwerter benötigt. Ersatz sollen neue Handyfahrscheine bieten.
„Die Digitalisierung schreitet voran“, sagt VRS-Sprecher Holger Klein. Die elektronische Fahrkarte werde „mittelfristig der Standard“ sein. Derzeit liege der Anteil im Tarifgebiet rund um Köln bei rund acht Prozent. „Die Zuwachsraten sind sehr hoch — jährlich um die 50 Prozent.“ Auch das Viererticket auf Papier ist ein Verkaufshit — mit mehreren Millionen Verkäufen im Jahr. Allerdings müssen die Verkehrsbetriebe allein dafür die störanfälligen Entwerter vorhalten; alle anderen Tickets kommen entwertet aus dem Automaten. Klein: „Das Geld könnten wir besser investieren.“
Abgenickt ist der Abschied von der Viererkarte von den Gremien noch nicht, auch ein Zeitplan fehle. „Wir werden es nicht von heute auf morgen abschaffen“, beruhigt Klein. „Wir müssen alle mitnehmen.“ Auch die Kunden, die eben noch nicht online kaufen. Anreize sollen hier helfen: Als Ersatz für die Viererkarte soll es einen Handy-Tagesfahrschein geben; halb so teuer wie die alte Viererkarte, für so viele Fahrten wie gewünscht. Erstmals testet der VRS ein solches Rabattsystem als Einstiegshilfe in den elektronischen Kauf an Karneval: mit einem Sechs-Tages-Ticket zu 25,30 Euro für unbegrenzte Fahrten im Verbundgebiet, das es nur online gibt. Klein: „Das Ziel ist, dass der Papierfahrschein mittel- und langfristig der Vergangenheit angehört.“
Lothar Ebbers, Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn in NRW, kann die Hintergründe des VRS-Ansinnens verstehen. Trotzdem: „Es bedeutet, die Kunden können Tickets nicht mehr auf Vorrat kaufen.“ Denn die Einzeltickets kommen bereits entwertet aus dem Automaten. Auch der Rabatt beim Viererticket falle so weg (im VRS kostet es 9,20 Euro, ein Einzelticket 2,40 Euro). Und auch die Handytickets hätten Nachteile: „Risiken werden auf die Kunden abgewälzt“, so Ebbers. Derzeit muss das Verkehrsunternehmen dafür sorgen, dass die Technik — Automaten und Entwerter — funktioniert. Beim Kauf per App muss der Kunde dafür sorgen, dass etwa der Akku des Smartphones auch voll und das gekaufte Ticket herzeigbar ist.
Bei der Düsseldorfer Rheinbahn sieht man daher Ideen, die Entwerter loszuwerden, skeptisch. „Der Online-Vertriebsweg ist auf dem Vormarsch“, sagt Firmensprecherin Heike Schuster. 3,2 Millionen Handytickets seien 2016 verkauft worden — 2015 noch 2,2 Millionen. „Das wird von uns gepusht.“ So gebe es Angebote wie das Zehner- und das Happy-Hour-Ticket nur über die App — und wie im VRS generell drei Prozent Rabatt auf alle Preise. Aber: „Wir wollen beide Vertriebswege erhalten.“ Gerade ältere Kunden planten ihre Fahrten gern im Voraus, gingen in die Kundencenter und kauften ihre Fahrscheine dort — die Entwerter seien dafür unverzichtbar. Auch bei den Krefelder Stadtwerken gehen die E-Ticket-Verkäufe zwar nach oben — im Dezember 2015 etwa wurden 800 Handytickets verkauft, im Dezember 2016 schon 1500. Es sei aber „ein langer Weg“ vom Papier zum Internet, sagt Sprecher Dirk Höstermann. Zumindest die Wartung der Entwerter ist in Krefeld, wo Tickets noch statt am Automaten gleich beim Fahrer gekauft werden können, kein Thema.
Generell gibt es im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) keine Überlegungen, das Viererticket abzuschaffen. Allerdings: „Das Thema E-Ticket spielt auch bei uns eine große Rolle“, sagt Dino Niemann vom Verbund. Hier setzt man aber eher auf positive Anreize, um die Kunden wegzulocken vom Papier. So stehe eine „Verbund-App“ kurz vor dem Start, mit der die Menschen der Region alle Fahrkarten für die VRR-Städte kaufen können — statt wie bisher für jedes Unternehmen eine eigene Anwendung herunterladen zu müssen. Niemann: „Das kommt noch in diesem Jahr.“ Wie viele Handytickets im gesamten VRR 2016 verkauft wurden, gibt das Unternehmen in der kommenden Woche auf seiner Jahrespressekonferenz bekannt.