Demokratie Warum Bürgerbegehren in NRW oft scheitern
Der Verein „Mehr Demokratie“ fordert, die Hürden für Bürgerbeteiligung zu senken. In anderen Bundesländern ist sie erfolgreicher.
Sprockhövel/Düsseldorf. Schon vor dem Bürgerentscheid am 5. Juni war den Initiatoren von „Miteinander in Sprockhövel“ klar, dass es eng werden könnte. Um den Bau von vier Häusern an zwei Standorten zur Unterbringung von Flüchtlingen in der Kleinstadt nordöstlich von Wuppertal zu verhindern, musste die Bürgerinitiative 20 Prozent aller Wahlberechtigten der Stadt hinter sich vereinen — 4147 Wähler. Am Ende fehlten 135 Stimmen, um dieses sogenannte Quorum zu erreichen. Nach dem erfolgeichen Bürgerbegehren, mit dem das Thema in den Rat eingebracht wurde, war der Bürgerentscheid, die Wahl an sich, knapp gescheitert. Die Stadt treibt die Baupläne jetzt voran.
Der Verein „Mehr Demokratie“ nennt ein solches Scheitern „unecht“. Das Anliegen findet eine Mehrheit unter den Wählern, erreicht aber nicht den geforderten Anteil der Gesamtwählerschaft. Bei der Vorstellung des Bürgerbegehrensberichts 2016 in Düsseldorf erklärte gestern der Rechtsanwalt Robert Hotstegs, dass in NRW besonders viele Bürgerentscheide „unecht“ scheitern würden, nämlich in 46,3 Prozent der Fällen. Im Bundesdurchschnitt scheitern dagegen nur 12,8 Prozent. Gemessen an allen 3491 Bürgerentscheiden seit der Einführung des Beteiligungsverfahrens im ersten deutschen Bundesland — in Baden-Württemberg im Jahr 1956.
Neben dem 20-Prozent-Quorum scheitern Bürgerbeteiligungen in der kommunalen Politik auch an anderen Formalitäten. So würden in NRW beispielsweise Zulässigkeitsprüfungen erst nach der Unterschriftensammlung für das Bürgerbegehren durchgeführt. „Dann sind aber schon Tausende Unterschriften gesammelt und die Fristen abgelaufen“, sagt Hotstegs. Formfehler könnten dann nicht mehr korrigiert werden.
Weiter sei in NRW eine Kostenschätzung durch die Kommune notwendig. „Häufig tun sich Kommunen schwer damit, korrigieren sich nachträglich oder schätzen die Kosten einfach zu hoch ein. Das verzerrt den politischen Wettbewerb“, so Hotstegs. Er fordert, die Punkte nachzubessern, wie es auch in anderen Bundesländern wie Bayern oder Niedersachsen getan wurde oder wird. In Anbetracht der gerade in NRW beschlossenen Sperrklausel von 2,5 Prozent bei Kommunalwahlen sei das nötig. „Dadurch werden Bürgerstimmen ausgeschlossen und fallen praktisch unter den Tisch.“ Mehr Bürgerbeteiligung könne kein Ausgleich sein, aber zumindest ein Entgegenkommen an die Bürger.
Auf kommunaler Ebene gebe es das, so Hotstegs. Etwa in Wuppertal, wo die Stadt einen Dezernenten für Bürgerbeteiligung eingeführt hat. Das sei sicher eine gute Visitenkarte für die Stadt. Aber der Titel alleine reiche noch nicht. Es müssten Taten folgen. Auf Landesebene sei aber noch mehr zu tun, sagte Hotstegs.
In Sachen direkte Demokratie sieht Hotstegs NRW im Mittelfeld. Im vergangenen Jahr habe es 33 Bürgerbegehren in NRW gegeben, sieben davon seien von den Räten übernommen worden, zwei sogar von Räten gerettet, weil das Quorum nicht erfüllt worden war — wie in Sprockhövel. Anders als dort ging es dabei aber um die Rettung einer Grundschule (Erftstadt) und die Ansiedlung eines Supermarkts (Niederkrüchten).