„Leben wie Gott in Deutschland“

Die Franzosen blicken voller Respekt auf unsere Wirtschaft und attestieren uns eine hervorragende Staatsführung mit Angela Merkel.

Paris. Schon seit Jahrzehnten herrscht eine bewährte Arbeitsteilung in der EU: Während Deutschland als wirtschaftliche Lokomotive voranrollt, übernehmen die Franzosen die politische Führung. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz. Und Krisenmanager Nicolas Sarkozy spitzt es zu Beginn des griechischen Schuldendebakels einmal so zu: „Deutschland überlegt noch, Frankreich handelt.“

Doch so gern sich der G 20-Gipfelgastgeber in der europäischen Existenzkrise in den Vordergrund zu drängen sucht, so sehr zeichnet sich inzwischen ab, wie sich die Machtverhältnisse verschoben haben und wer von beiden tatsächlich die Zügel in der Hand hält: die deutsche Bundeskanzlerin.

Immer wenn französische Präsidenten und deutsche Kanzler gut miteinander konnten, siehe De Gaulle-Adenauer, Giscard-Schmidt, Kohl-Mitterrand, brummte der deutsch-französische Motor — zum Nutzen fürs gesamte Einigungswerk. Auch wenn in diesem Fall die Lage ein bisschen anders ist: Das aktuelle Paar begrüßt sich sogar mit Wangenküsschen, doch die demonstrativ zur Schau gestellte Herzlichkeit täuscht offenbar. „Ich kenne Merkel und Sarkozy gut, die beiden können nicht miteinander“, verriet der frühere italienische Premier Romano Prodi in einem Interview.

Zwei Tage nach dem letzten Brüssel-Gipfel feierte sich Nicolas Sarkozy daheim in einem TV-Interview als „Retter des Euro“. Den Zuschauern preist er sich als „Beschützer“ in schweren Zeiten an. Doch haften blieb etwas ganz anderes, nämlich wie auffällig oft und anerkennend Sarkozy die Worte „Deutschland“ und „Madame Merkel“ in den Mund nahm. Überhaupt scheint die französische Bewunderung für das „Modèle Allemand“ derzeit keine Grenzen zu kennen.

„Was haben die Deutschen, was wir nicht haben?“, fragte das französische Wirtschaftsmagazin „Capital“, um in einem 18 Seiten langen Deutschland-Dossier die Antworten zu geben: nämlich höheres Wachstum und niedrigere Arbeitslosigkeit, einen Rekord-Außenhandelsüberschuss, niedrigere Staatsverschuldung, einen innovativen, exportstarken Mittelstand, „grüne“ Technologie — und das alles basierend auf einer durch Mitbestimmung und Konsens geprägten Unternehmensphilosophie.

Nicolas Sarkozy schmiegt sich an wie einer schnurrender Kater und auch der „Figaro“ kommentierte neulich: „Zwischen dem Deutschland von Merkel und dem Italien von Berlusconi sollte uns die Wahl nicht schwerfallen.“

Zuletzt drehte das regierungsnahe Blatt sogar ein klassisches Bonmot deutscher Frankreichliebhaber um und säuselte: „Das Frankreich von 2011 träumt davon zu leben wie Gott in Deutschland.“ Auch Professor René Lasserre, Direktor des Pariser Zentrums für Deutschland-Studien, urteilt: „Viele französische Sparer wünschen sich einen verantwortungsbewussten Finanzminister wie Wolfgang Schäuble.“

Ein führender Sozialist beurteilt die Achse Berlin-Paris in der linksliberalen „Libération“ eher skeptisch: „Sarkozy ist die Marionette Merkels.“

Und auch die beliebte Satire-Sendung „Les Guignols“ macht sich in einem Sketch über Sarkozy lustig. Darin beginnt die „Ansprache des Präsidenten“ wie immer mit Trikolore, doch dann erscheint die deutsche Kanzlerin. Diese ruft (auf Französisch) „Schluss mit lustig“, schlägt auf den Tisch und gibt mit schnarrendem Kommando-Ton auf Deutsch die neue Parole aus: „Arrrbeit“.