Linke: Streit noch nicht beigelegt
Ramelow will eine neue Personaldiskussion im Keim ersticken.
Berlin. Gregor Gysi, der allzuständige Fraktionschef, weilt für mehrere Wochen zu politischem Anschauungsunterricht in Latein- und Mittelamerika. Oskar Lafontaine, der scheidende Parteichef, grantelt nachträglich ("niederträchtig") aus dem Saarland gegen den ebenfalls scheidenden Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch.
Der wiederum "verbittet sich das". Und Klaus Ernst, der designierte Nachfolger Lafontaines, muss um sein politisches Überleben als Parteichef in spe bereits kämpfen, bevor es überhaupt angefangen hat. Mit anderen Worten: Bei der Linkspartei bewegt sich alles im ganz normalen Rahmen. Das Gezerre zwischen Ost und West, zwischen Gewerkschaftern und Alt-Linken, zwischen Pragmatikern und Traditionalisten, es geht unvermindert weiter.
In solchen Zeiten des Übergangs und der latenten Orientierungslosigkeit meldet sich nun der frühere Fusionsbeauftragte der Linken, Bodo Ramelow, zu Wort und rät seiner Partei zu Erstaunlichem: Eine Urabstimmung soll spätestens Ende 2011 entscheiden, ob die Linkspartei dauerhaft eine Doppelspitze mit Mann und Frau haben soll oder nicht, heißt es in einem offenen Brief, den der thüringische Fraktionschef an alle Mitglieder geschickt hat.
Seine Kernbotschaft lautet: Bitte liebe Genossinnen und Genossen, schnürt vor dem Rostocker Bundesparteitag Mitte Mai den jüngst verabschiedeten Personalvorschlag für die neue Führungs-Crew nach Lothar Bisky und Oskar Lafontaine nicht wieder auf!
Ramelows Vorstoß ist eine Schützenhilfe vor allem für den zunehmend in die Kritik geratenden bayerischen Gewerkschaftsfunktionär Klaus Ernst. Der Mann aus Schweinfurt soll gemeinsam mit der ostdeutschen Bundestagsfraktionsvize Gesine Lötzsch das neue Führungsduo bilden. Ernst, einst Mitgründer der WASG, hat aber im eigenen Landesverband kaum Rückhalt und ist in Ostdeutschland auch wegen seines zuweilen polternden Macho-Auftretens unpopulär.
Ramelow warnt davor, den Personalvorschlag, den der Parteivorstand zuletzt in einer Telefonkonferenz mit 28 Ja-Stimmen abgesegnet hat, erneut auf den Prüfstand zu stellen. "Dieser Streit nützt aber nichts, wenn er so geführt wird, dass einzelne Personen herausgelöst werden sollen, verbunden mit der Hoffnung, den gesamten Vorschlag wieder aufzumachen."
Ramelow konstatiert in der Linken, bedingt durch die Krebserkrankung Lafontaines und den Wechsel von Bisky ins EU-Parlament, "ein Führungsvakuum, das leider überlagert wird durch ein längeres Zögern in der aktiven Programmdebatte". Die Linkspartei hat bislang kein eigenes Programm. Dem Vernehmen nach will der Parteivorstand am 20. März einen ersten Programm-Entwurf vorlegen.