Maßloser Alkoholkonsum bei Jugendlichen
Nach Saufgelagen werden immer mehr 15- bis 20-Jährige im Krankenhaus behandelt.
Frankfurt. Wenn Petra Knauer im Frankfurter Bürgerhospital ihren Dienst antritt, schaut sie als erstes nach den Kindern auf der Intensivstation. Sie hängen an Schläuchen und Kabeln, bekommen Flüssigkeit per Infusion, Kreislauf und Atmung müssen überwacht werden, denn es besteht akute Lebensgefahr. Als Oberärztin der Klinik für Abhängigkeitserkrankungen am Frankfurter Bürgerhospital betreut die Psychiaterin jene Klientel, die als „Koma-Säufer“ bezeichnet werden. Trinken bis der Arzt kommt.
Im vergangenen Jahr wurden knapp 26 000 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 20 Jahren wegen einer akuten Alkoholvergiftung in einem Krankenhaus behandelt. Bei den Älteren (15 bis 20 Jahre) ist der Negativtrend ungebrochen. 2010 gab es in dieser Altersgruppe 2,9 Prozent mehr Krankenhausaufenthalte nach Saufgelagen als 2009. Immerhin: Bei Kindern gibt es erste Erfolge: 2010 kamen 5,5 Prozent weniger als im Vorjahr vor dem 15. Geburtstag wegen akuten Alkoholmissbrauchs ins Krankenhaus.
„Seit Jahren sind wir bei Alkoholvergiftungen auf einem völlig indiskutablen Niveau“, sagt Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen in Hamm. „Für alles, was bei Kindern und Jugendlichen mit Alkohol zu tun hat, sind ausschließlich Erwachsene verantwortlich“, erklärt er und fordert eine Einschränkung von Alkoholwerbung, höhere Preise sowie strengere Kontrollen.
Der Alkoholkonsum bei Jugendlichen ist widersprüchlich: Immer weniger von ihnen trinken — aber wenn, dann exzessiv. Das belegt eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter 12- bis 17-Jährigen: „Während 2004 noch etwa jeder Fünfte (21,2 Prozent) dieser Altersgruppe angab, mindestens einmal in der Woche Alkohol zu trinken, lag dieser Anteil 2010 bei 12,9 Prozent“, heißt es im jüngsten Bericht der Drogenbeauftragten. Andererseits „praktizierte im vergangenen Jahr jeder Fünfte Zwölf- bis 17-Jährige mindestens einmal im Monat Rauschtrinken, bei den 18- bis 25-Jährigen war es sogar jeder Zweite“.
Dass die Klinikaufenthalte mehr werden, kann sogar positiv sein: „Vor 10, 20 Jahren hat niemand den Arzt gerufen, egal wie betrunken jemand war. Heute ist das Umfeld sensibler.“