Mendener Todesfahrt entfacht Debatte um „Senioren-Tüv“

Grüne wollen bei Autofahrern ab 65 Jahren die Fahrtauglichkeit überprüfen. Sie seien eine „demografische Zeitbombe“.

Düsseldorf. Die Forderung des Grünen-Politikers Winfried Hermann nach einem Fahrtauglichkeits-Test für Senioren hat eine heftige Debatte ausgelöst. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion hatte sich für einen sogenannten Senioren-Tüv für Fahrer ab 65 Jahren ausgesprochen.

"Im Jahr 2020 ist ein Drittel der Autofahrer älter als 60. Das ist eine demografische Zeitbombe", sagte er als Reaktion auf die Unfallfahrt eines 79-Jährigen am Sonntag in Menden. Dabei waren zwei Menschen gestorben, zwei schweben noch immer in Lebensgefahr.

Hermann will den "Senioren-Tüv" nach der Wahl Ende September zum Thema im Bundestag machen. Er schlägt vor, Tests für Autofahrer ab 65 freiwillig, für solche über 70 verpflichtend und regelmäßig durchzuführen. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat hält pauschale Tests nicht für sinnvoll. Er fordert Senioren vielmehr zur Selbsteinsicht auf, zu freiwilligen Untersuchungen oder einer Extra-Fahrstunde.

Die meisten Unfälle von Senioren ereignen sich beim Abbiegen, beim Missachten der Vorfahrt oder roter Ampeln. In der Schweiz, Finnland oder England sind die Tests daher längst Pflicht, um Reaktionsfähigkeit sowie Seh- und Hörvermögen zu überprüfen. Großen Einfluss auf die Unfallstatistik hatte das dort aber bislang nicht.

Von den rund 95.000 im vergangenen Jahr durch Autofahrer verursachten Unfällen in NRW gehen laut Polizeistatistik 19.644 auf das Konto der Generation 65plus, rund 20 Prozent. Das entspricht etwa ihrem Anteil an der Bevölkerung. Zum Vergleich: Die 18- bis 24-Jährigen, die nur 8,1 Prozent der Bevölkerung ausmachen, verursachten 20.167 Unfälle.

Bei genauerem Blick in die Statistik der Bundesanstalt für Straßenwesen fällt jedoch auf, dass es bei Senioren, die älter als 75 Jahre sind, sehr wohl ein gestiegenes Unfallrisiko gibt, vor allem bei Frauen.

Außerdem liege bei drei Vierteln der Unfälle die Schuld bei den Senioren, bestätigt Heinz-Jürgen Kaiser von der Universität Erlangen. In absoluten Zahlen sei der Anstieg aber so gering, dass die Tauglichkeit aller Fahrer ab 75 nicht pauschal angezweifelt werden dürfe.

Union und FDP sprachen sich gegen die Einführung des "Senioren-Tüv" aus. Die Unfallstatistik rechtfertige diese Forderung nicht, jedenfalls nicht nach den gegenwärtigen Zahlen. Maximilian Maurer vom ADAC sagte unserer Zeitung: "Für viele Ältere ist das Auto die einzige Möglichkeit, mobil zu bleiben. Wir haben die Wahl: fahrende Alte oder vereinsamte Alte."