Missbrauchs-Skandal: Papst unter Druck
USA: Joseph Ratzinger soll in den 90er Jahren als Kardinal massive Vorwürfe ignoriert haben.
Washington. Ein Missbrauchs-Skandal um einen katholischen Priester erregt in den USA die Gemüter und bringt Papst BenediktXVI. (Foto) in Bedrängnis. Der damalige Kardinal Joseph Ratzinger soll von einem Priester aus Milwaukee gewusst haben, der sich jahrelang an gehörlosen Jungen vergangen haben soll. Ratzinger soll den Skandal aber bewusst ignoriert haben.
Die "New York Times" berichtet, dass der Priester Lawrence Murphy von 1950 an 24Jahre lang in einer Schule für taubstumme Jungen arbeitete. In dieser Zeit soll es zu den Übergriffen in mehr als 200 Fällen gekommen sein. 1996 schrieb der Erzbischof von Milwaukee, Rembert Weakland, zwei Briefe an Ratzinger, damals Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan, die ihn auf die Missbrauchsvorwürfe aufmerksam machten. Doch Ratzinger hüllte sich angeblich in Schweigen. Eine Antwort auf seine Briefe erhielt Weakland nicht.
Erst ein Dreivierteljahr, nachdem Weakland um Unterstützung gebeten hatte, wurde ein Kardinal aus der Glaubenskongregation tätig. Er legte den Bischöfen in Milwaukee nahe, die Angelegenheit möglichst diskret zu behandeln. Anstatt gegen Murphy Strafanzeige zu erstatten, sollte er als Ergebnis eines internen Verfahrens unauffällig seines Amtes enthoben werden. Der Skandal gelangte an die Öffentlichkeit, nachdem die Anwälte fünf angeblicher Opfer, die nun die Kirche verklagen wollen, der Zeitung bisher geheime Dokumente des Erzbistums von Milwaukee zuspielten.
Laut der Dokumente wurde das Amtsenthebungsverfahren gegen Murphy offenbar eingestellt, nachdem der Priester in einem weiteren Brief dagegen protestiert hatte. Murphy wurde in ein Erzbistum im Norden des Bundesstaats Wisconsin versetzt.
Vatikansprecher Federico Lombardi verteidigte das Vorgehen der Kirche. Zwar habe Murphy gegen das Gesetz verstoßen und sich an "besonders verwundbaren Kindern" vergangen. Doch als 1996 der Vatikan über die Fälle in Kenntnis gesetzt wurde, hätten selbst die Behörden ihre Ermittlungen längst eingestellt.