Mohamed Merah - Der Gotteskrieger von nebenan
Die Wandlung von Mohamed Merah vom Kleinkriminellen zum Dschihadisten gibt viele Rätsel auf.
Paris. Welcher Mensch verbirgt sich hinter dem mutmaßlichen Toulouser Serienkiller Mohamed Merah? Glaubt man den Schilderungen entsetzter Freunde, Verwandter und Nachbarn, dann ist der 23 Jahre alte Karosseriearbeiter der „ganz normale Junge von nebenan“, der sich zusehends radikalisiert hat.
Vor etwa fünf Jahren, so gibt eine 40 Jahre alte Verwandte gegenüber der Zeitung „Le Parisien“ zu Protokoll, habe sich der Sohn einer „liebenswerten und integren Familie“ der islamistischen Szene zugewandt.
Kurz zuvor war seine Familie auseinandergebrochen. Seine Eltern, der Vater Franzose, die Mutter Algerierin, beide gläubige Muslime, hatten sich getrennt. Wenig später geriet Merah, jüngster von drei Brüdern, immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt.
Sein Vorstrafenregister ist lang, wegen 18 Vorstrafen (Diebstahl, Einbruch, Körperverletzung) landete der Kleinkriminelle zeitweise im Gefängnis. Im Internet stieß er auf die sogenannten „Salafisten“, eine besonders fundamentalistische und rückwärtsgewandte Strömung des Islam. Die gefürchtete „Salafistengruppe für Kampf und Predigt in Algerien“ etwa hat sich von Osama Bin Laden zum „Dschihad“ inspirieren lassen.
Abgesehen von einem dürren Bart, den er sich wachsen ließ, blieb die monströse Wandlung zum gefährlichen Islamisten und skrupellosen Waffennarr weitgehend unsichtbar. Merah trug weiter Jeans und Turnschuhe.
Doch immer wieder passierten Dinge, die die Menschen in seiner Umgebung verstörten. „Er fing an, Jüngere in der Siedlung zu indoktrinieren“, sagt die Verwandte. Und ein Nachbar sah, wie er auf dem Fußballplatz neben seiner Wohnung betete.
Ab Ende 2007 reiste er offenbar mehrmals ins pakistanisch-afghanische Grenzgebiet. Eine zerklüftete, unkontrollierbare Gegend, in die sich die Taliban zurückziehen und in der es vor Ausbildungscamps und Koranschulen nur so wimmelt. Offenbar wurde er dort gezielt zum Gotteskrieger ausgebildet.
Medienberichten zufolge wurde Merah in der südafghanischen Taliban-Hochburg Kandahar festgenommen, weil er Pläne zum Bau von Bomben bei sich hatte. Er wurde zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Allerdings gelang ihm bei einem Massenausbruch von mehreren Hundert Häftlingen die Flucht. Eine bestens ausgerüstete Kommando-Truppe der Taliban hatte die Haftanstalt handstreichartig überfallen.
Die Zeitung „Le Monde“ berichtet, dass die Polizei von Kandahar westliche Geheimdienste über die Anwesenheit des jungen französischen Staatsbürgers informiert habe.
Sein Name landete auch in der Datenbank des französischen Inlandsgeheimdienstes DCRI. Dieser behielt Merah jahrelang im Auge. Hinweise, dass er Attentate plante, habe es jedoch nicht gegeben, berichtete Innenminister Claude Guéant. „Die ganze Welt wusste, dass er eine islamistische Tendenz hatte“, behauptet unterdessen die Verwandte.
Sie berichtet, dass Mohamed Merah in der Toulouser Siedlung sogar einmal in martialischer Pose auftrat. „Er lief durchs Viertel, trug einen Kampfanzug und in der Hand einen Säbel und rief „Al Kaida, Al Kaida’ — das war völlig verrückt“, sagt sie.