Mubaraks kleine Zugeständnisse stoppen Proteste nicht
Kairo (dpa) - Trotz weiterer Zugeständnisse von Präsident Husni Mubarak schwillt der Protest in Ägypten wieder an. In Kairo und anderen Städten gingen am Dienstag erneut mehr als 200 000 Menschen auf die Straßen, um den Rücktritt Mubaraks zu erzwingen.
Der 82-jährige Staatschef berief einen Ausschuss ein, der in den kommenden Wochen die ägyptische Verfassung überarbeiten soll. Vizepräsident Omar Suleiman sagte, derzeit werde ein Fahrplan für einen friedlichen Machtwechsel mit einem festen Zeitplan erarbeitet. Auch von Seiten der Armeespitze hieß es, der Wandel müsse „geordnet“ erfolgen. Einen sofortigen Rücktritt lehnt Mubarak weiterhin ab.
Mit der Einberufung des Verfassungsausschusses kommt der geschwächte Präsident einer weiteren Forderung der Opposition nach. Die benannten Richter und Juristen gelten weitgehend als unabhängig und glaubwürdig. Die Opposition will drei Verfassungsparagrafen ändern. Darin geht es um folgende Punkte: Die Bedingungen für eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl sollen gelockert werden, um auch Oppositionsvertretern die Bewerbung zu ermöglichen. Zweitens soll die Amtszeit des Präsidenten künftig beschränkt werden. Drittens will die Opposition eine bessere Kontrolle der Wahlen durch die Justiz.
Die Massenproteste gegen Mubarak gingen am Dienstag in die dritte Woche. Nachdem die Demonstrationen in den vergangenen Tagen kleiner geworden waren, strömten am Nachmittag erneut zehntausende Menschen zu einer Großkundgebung gegen das Regime auf den Tahrir-Platz in Kairo, um die Reihen der dort campierenden „Dauerdemonstranten“ zu verstärken. Auch in Alexandria und in anderen Landesteilen dauerten die Proteste an.
Mubarak hatte vor einer Woche angekündigt, bei der Wahl im September nicht mehr antreten zu wollen. Vizepräsident Suleiman sagte im Staatsfernsehen, Mubarak habe versprochen, dass es keine Strafverfolgung der Demonstranten geben werde. Die Behörden sollten untersuchen, wer die Schuld am Tod zahlreicher Demonstranten am vergangenen Mittwoch trägt. Viele der jugendlichen Demonstranten erklärten unterdessen, sie wünschten sich den am Vortag freigelassenen Google-Manager Wael Ghoneim als Sprecher für ihre Bewegung. Ghoneim hatte zu den Organisatoren der ersten Großdemonstration am 25. Januar gehört.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen umfassenden Wandel in Ägypten. Wie für Tunesien gelte auch für Ägypten und andere Länder der Region, dass freie Wahlen allein nicht ausreichten, sagte die Britin in New York. Israel will als Reaktion auf die Unruhen den Bau seiner Grenzanlage zu Ägypten beschleunigen.
In Jordanien marschierten am Dienstag wieder Demonstranten vor der ägyptischen Botschaft in Amman auf, um ihre Solidarität mit der Protestbewegung in Kairo zu bekunden.
In der Diskussion um den eventuellen Rücktritt des ägyptischen Staatschefs befürwortete Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn die Idee, Mubarak vorübergehend in Deutschland aufzunehmen. „Das sollte man tun, wenn es notwendig ist“, sagte Asselborn dem Berliner „Tagesspiegel“ (Mittwoch) mit Blick auf Spekulationen über eine medizinische Behandlung Mubaraks in Deutschland.
Amnesty International will in diesem Fall die Bundesanwaltschaft einschalten. Die Karlsruher Behörde müsste dann prüfen, ob sie gegen den 82-Jährigen wegen Folter und anderer schwerer Menschenrechtsverletzungen Ermittlungen einleite, verlangte die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Monika Lüke. „Mubarak steht für ein System, in dem seit Jahrzehnten Menschen in Haft systematisch gefoltert und misshandelt werden.“
Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, lehnte im Sender n-tv ebenfalls Asyl für Mubarak in Deutschland ab. „Wenn er aber nach Deutschland kommt, ist es wichtig, dass die Bundesregierung eine Garantie gibt, dass Mubarak auch ausgeliefert wird, wenn er von der nächsten Regierung in Ägypten strafrechtlich belangt wird.“