Naher Osten: Obama geht mit leeren Händen

Die Reise des US-Präsidenten bringt den Friedensprozess nicht voran. Aber das Staatsoberhaupt findet klare Worte.

Jerusalem. Barack Obama kann mit Worten streicheln, aber auch Stiche austeilen. Nicht an der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hielt er seine große Rede. Nicht in der Knesset, dem Parlament in Jerusalem, wie es die israelische Regierung gewünscht hatte. Ausdrücklich hatte der US-Präsident auf einem Treffen mit Jugendlichen und Studenten bestanden. Was Obama hier bot, war eine Mischung aus Seelenmassage für Israelis und Palästinenser — und zugleich eine Frontalkritik an beiden Seiten wegen ihrer endlosen Blockade-Politik.

Obama wetterte gegen den anti-israelischen Terror, gegen Irans Atompläne, erkannte Israels Sicherheitsbedürfnis an, verneigte sich vor der Geschichte des jüdischen Volkes. Dann leistete sich der mächtigste Mann der Welt etwas, wovor Staatsgäste meist zurückschrecken. „Versetzt euch in die Lage der Palästinenser“, rief er dem Jungvolk zu. „Es ist nicht gerecht, palästinensische Familien aus ihren Häusern zu vertreiben. Es ist nicht fair, dass palästinensische Kinder nicht in ihrem eigenen Staat aufwachsen können. Es ist nicht fair, wenn Siedlergewalt gegen Palästinenser ungestraft bleibt.“ Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu war nicht präsent. Wer außer dem „besten Freund Israels“ (Obama über Obama) wagt es, mit der Regierung in Jerusalem derart ins Gericht zu gehen — öffentlich?

„Manchmal muss jemand von außen kommen“, schwärmt die Zeitung „Haaretz“, „um den Israelis zu sagen, wie es ist“. Die „Jerusalem Post“ meint: „Frieden wird kommen, wenn eine ähnliche Rede in Ramallah vergleichbare Ovationen erhält, von Gaza gar nicht zu reden“, heißt es.

Nüchtern gesehen hat Obama nicht viel erreicht. Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas lieferten zwar Bekenntnisse zur Zwei-Staaten-Lösung. Doch nach jahrelanger Stagnation der Gespräche kommt der Verdacht auf, ob es sich hier nicht um Lippenbekenntnisse handelt.

Nicht einmal einen Siedlungsstopp kündigte Netanjahu an. Doch Obama scheint Druck machen zu wollen. Sein Außenminister John Kerry wird in den nächsten Tagen in Israel weitere Gespräche führen. Unter der Hand verlautet, er werde in den nächsten Monaten öfter nach Jerusalem und Ramallah kommen.