NRW-Staatspreis für Krupp-Ehepaar

Berthold und Else Beitz retteten Hunderte Juden vor den Nazis. Später stand der Name Beitz für den Krupp-Konzern. Am Montag erhielt das Ehepaar den NRW-Staatspreis.

Essen. Er rettete zusammen mit seiner Frau im Zweiten Weltkrieg Hunderten Juden das Leben und trägt bei Krupp seit 58 Jahren Führungsverantwortung. Berthold Beitz (98) ist seit seinem Dienstantritt 1953 als „Generalbevollmächtigter“ von Alfried Krupp an der Spitze des Stahlkonzerns eine der markantesten Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaftsgeschichte. An seiner Seite steht seit über 70 Jahren mit der Hamburgerin Else Beitz (91) eine kluge und mutige Frau.

Am Montagabend wurde das Ehepaar mit dem nordrhein-westfälischen Staatspreis ausgezeichnet. Es ist der höchste Orden, den das Land vergibt. „Wir verneigen uns vor Ihrem Lebenswerk“, sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) bei der Verleihung. „Sie sind große Vorbilder und herausragende Botschafter Nordrhein-Westfalens.“

Bis heute lässt sich Beitz an jedem Arbeitstag in sein Büro gegenüber der Villa Hügel fahren. Als Kuratoriumsvorsitzender der Krupp-Stiftung übt er auf den heutigen Thyssen-Krupp-Konzern weiter großen Einfluss aus. Die Stiftung ist mit 25,3 Prozent wichtigster Aktionär. Große Entscheidungen sind ohne das Plazet von Beitz nicht denkbar.

Das dürfte für den Umzug von Thyssen-Krupp zurück nach Essen 2010 genauso gelten wie für den plötzlichen Rückzug des einstigen Thyssen-Krupp-Vorstandschefs Ekkehard Schulz vor wenigen Tagen. Auch dass Essen im Kulturhauptstadtjahr 2010 von der Krupp-Stiftung den 55 Millionen Euro teuren Neubau des Museums Folkwang geschenkt bekam, war eine Beitz-Entscheidung. Er traf sie allein beim Spaziergang am Strand von Sylt, wie kolportiert wird.

Beitz sieht sich selbst als Einzelgänger, der nie einer Partei oder einem Verein angehört hat. Entscheidungen trifft er gern aus dem Bauch — aber mit großer Entschlusskraft.

Nach einer eher zufälligen Begegnung hatte Alfried Krupp den ruhrgebietsfremden Beitz 1953 zu seinem Generalbevollmächtigten ernannt. Als Krupp 1967 starb, übernahm Beitz den Vorsitz der neu gegründeten Stiftung, die Krupp-Alleineigentümerin wurde. Beitz führte Krupp durch mehrere Stahlkrisen und hat als Protagonist der Fusion mit Thyssen 1999 maßgeblichen Anteil daran, dass der Name Krupp bis heute erhalten blieb.

Beitz wurde 1913 in Pommern geboren und machte nach Abitur und einer Banklehre zunächst bei Shell Karriere. Im Zweiten Weltkrieg forderte er als kaufmännischer Leiter der Karpaten Öl AG im besetzten Polen Hunderte Juden als angeblich unentbehrliche Arbeiter an, um sie vor der SS zu retten. Eine Mitarbeiterin berichtete später, dass er Juden vor den Augen der Nazi-Schergen sogar aus einem bereits verplombten Güterwaggon herausgeholt habe.

Else Beitz half den Verfolgten nicht nur mit Lebensmitteln, sie versteckte unter Lebensgefahr jüdische Kinder im gemeinsamen Haus, wenn Razzien der Nazis anstanden. Beide erhielten dafür später die Medaille „Gerechte unter den Völkern“ der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem. Nach dem Krieg beschränkte sich Else Beitz nicht auf die Rolle der Ehefrau und Mutter. Mit 58 Jahren holte sie das Abitur nach, studierte Erziehungswissenschaften und promovierte mit über 70 Jahren mit Auszeichnung — natürlich über ein Krupp-Thema.

Berthold Beitz tritt stets mit dunklem Anzug und Einstecktuch auf. Sein Verständnis für die Belange der Arbeiterschaft hat er oft gezeigt. Zugleich vermittelt er nach außen ein Gutteil der patriarchalischen und fast aristokratischen Ausstrahlung der Krupps.