Parlamentswahl: Die Briten in Wechselstimmung

Das Interesse an der historischen Abstimmung war groß. Vielen war das Zwei-Parteien-System ein Dorn im Auge.

London. Michael Clifford ist eigentlich kein Deutschland-Kenner, aber jetzt interessiert er sich für deutsche Politik. "Ihr habt da doch so Koalitionen, das sollten wir auch mal haben", sagt der 69-Jährige. Deshalb ist Clifford am Donnerstag wählen gegangen.

"Diese Wahl ist für Großbritannien extrem wichtig. Unglaublich viele Leute wollen was an unserem Zwei-Parteien-System ändern."

Clifford hat die Liberaldemokraten gewählt. Die Partei von Nick Clegg hat im Wahlkampf für Furore gesorgt und den beiden großen Parteien Labour und Tories Stimmen abgeluchst.

Im Wahllokal für den Londoner Bezirk Vauxhall, gleich südlich vom Parlament, ist viel los. "Die Leute haben schon um sieben Uhr hier gestanden", erzählt John Medway, der seit 40 Jahren in Wahllokalen aushilft. "Alles ist so offen, und niemand weiß, was herauskommt. Es ist spannend."

Der Bezirk ist in fester Hand der Labour-Partei von Premierminister Gordon Brown. Doch immer mehr Leute wählen auch kleinere Parteien - vor allem in Städten sind alternative Parteien angesagt.

"Ich weiß, dass meine Stimme verloren ist, aber ich wähle Grün. Das ist eine historische Wahl, und ich möchte, dass sich etwas am System ändert", sagt Mariam Kemple (25). Sie wünscht sich weder Brown noch seinen Herausforderer von den konservativen Tories, David Cameron, als Premier. "Nick Clegg wäre toll", sagt sie über den Chef der Liberaldemokraten.

Vom Ärger über Brown, der als uncharismatisch verschrieen ist, ist hier weniger zu spüren. "Natürlich ist Browns Persönlichkeit eine Katastrophe. Aber man wählt die ganze Partei. Er hat uns durch die Wirtschaftskrise gebracht, das kann der windige Cameron nicht", sagt die 54-jährige Jude. Ihren Nachnamen will sie nicht nennen. "Es ist sowieso ein Wunder, dass Brown und Labour die Möglichkeit haben, wieder an die Regierung zu kommen. Vor sechs Monaten hätte mich jeder für verrückt erklärt, wenn ich das behauptet hätte."

Andere sind für die Tories. "Wir brauchen einen Wechsel an der Regierung. Alles ist so festgefahren", sagt Matt Holland. Der 26-Jährige ist Polizist im Stadtteil Brixton. "Viele sind frustriert und enttäuscht von Labour." Die größte Herausforderung für die nächste Regierung sei aber, die Schuldenkrise zu meistern.