Rente mit 67: Sprengsatz für den Wahlkampf
Analyse: Nach der Kritik aus der SPD rüsten sich die Gegner der Sozialreform für eine neue Schlacht.
Berlin. Die Rente mit 67 könnte zum Sprengsatz im Wahlkampf werden - und der SPD um die Ohren fliegen. Überraschend legte der bayerische SPD-Politiker Florian Pronold die Flamme an die Lunte. Die Aufregung ist groß, denn Pronold, der demnächst Landeschef der SPD in Bayern werden will, hat den Gegnern der Rentenreform in die Hände gespielt.
Gewerkschaften und Sozialverbände fühlen sich bestärkt in ihrer Ablehnung und rüsten zum Sturm auf die Regelung, die der damalige Arbeitsminister und heutige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering im Frühjahr 2007 gegen viel Widerstand durchboxte: als Antwort auf die immer längere Lebenserwartung und den wachsenden Anteil der Senioren in der Gesellschaft.
Die Kritiker sehen in der Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ein verkapptes Rentenkürzungsprogramm. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit führe es zwangsläufig zu mehr Altersarmut - vor allem im Osten Deutschlands, argumentieren sie.
Tatsächlich liegt die Beschäftigung Älterer trotz Fortschritten noch immer im Argen. Im vergangenen September waren lediglich 36,3 Prozent in der Altersgruppe der 55 bis unter 65-Jährigen in sozial abgesicherter Beschäftigung. 2004 waren es sogar nur 27,2 Prozent. Zuletzt registrierte die Bundesagentur für Arbeit wieder einen überdurchschnittlich hohen Anstieg der Erwerbslosigkeit bei den Älteren: Im Vergleich zum Vorjahr lag das Plus bei gut 17 Prozent.
Bereits heute geht in den neuen Bundesländern nur der kleinere Teil der Ruheständler aus einer Beschäftigung in Rente. Die meisten Neurentner - rund zwei Drittel - sind vorher arbeitslos und müssen Rentenabschläge hinnehmen. Für jeden Monat vor der Regelaltersgrenze von 65 Jahren sind es 0,3 Prozent.
Der DGB und seine Gewerkschaften feuerten von Anfang an gegen das Rentengesetz von Müntefering und wollten die Parteien vor allem der großen Koalition im Wahlkampf damit vor sich hertreiben. Diese Drohungen verhallten zunächst ohne große Wirkung. Gezündet hat es erst, als Pronold einstieg. Das geschah wohl nicht zufällig, sondern nach Angaben von Insidern vor allem, um sich das Wohlwollen der Gewerkschaften als den schärfsten Kritikern an der Rente mit 67 für die anstehenden Wahlen zu sichern.
"Ich gehe davon aus, dass die Rente mit 67 wegen steigender Arbeitslosenzahlen in der Wirtschaftskrise nicht in Kraft treten kann", sagte Pronold. Er erinnerte an die gesetzliche Überprüfungsklausel, die ab 2010 angewendet werden soll. In der sahen die Gegner schon immer einen Hebel, um die ungeliebte Anhebung des Rentenalters doch noch kippen zu können.
Da die SPD-Führung zum überraschenden Vorstoß aus Bayern auf Distanz ging, ruderte Pronold gestern zurück: Er stelle die Rente mit 67 keineswegs grundsätzlich infrage, versicherte er im "Handelsblatt. Doch da war die Lawine schon losgetreten, und noch ist unklar, ob und wie sie zu stoppen ist.