Ruf nach Papst-Stellungnahme zum Missbrauchsskandal
München/Berlin (dpa). Zum Missbrauchsskandal in katholischenEinrichtungen sieht die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ auch beiPapst Benedikt XVI. Klärungsbedarf.
„Denn Joseph Ratzingers Amtszeitals Münchner Erzbischof von 1977 bis 1982 gehört genau zu den Jahren,um die es bei den Missbrauchsfällen geht“, sagte „Wir sind Kirche“-Sprecher Christian Weisner der Deutschen Presse-Agentur dpa inMünchen.
Deshalb dränge sich die Frage auf, ob der damalige MünchnerErzbischof auch Kenntnis von solchen Übergriffen gehabt habe - undfalls ja, wie er damit umgegangen sei.Eine solche Stellungnahme des Papstes wäre ein hilfreichesZeichen, sagte Weisner. „Denn totale Offenheit ist der einzige Weg,das Vertrauen in die Amtskirche und vor allem in die Kirchenleitungwiederherzustellen.“ Auch Papstbruder Georg Ratzinger (86) müsse sichFragen zum Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzengefallen lassen, sagte Weisner. Georg Ratzinger leitete dieDomspatzen von 1964 bis 1994.
Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ fordere von den Bischöfennach den Missbrauchsfällen ein sichtbares Zeichen der Reue, sagteWeisner. „Eine auf einer Pressekonferenz abgelesene Entschuldigungreicht nicht aus.“ Als Zeichen der Reue könnte die DeutscheBischofskonferenz eine gut dotierte Stiftung zur Vorbeugung gegensexuellen Missbrauch gründen, sagte Weisner. Themen für eine solcheStiftung könnten eine breit angelegte Präventionsstrategie,Reformansätze für die Priesterausbildung und eine Neuausrichtung derkirchlichen Sexualethik sein.
Die katholische Kirche in Deutschland müsse ihre Leitlinien von2002 zum Umgang mit Missbrauchsfällen ändern, forderte Weisner. Esreiche nicht aus, dass ein Priester nach Missbrauchsfällen lediglichnicht mehr in der Kinder- und Jugendseelsorge eingesetzt werde. Werin dieser Form kriminell werde, dürfe überhaupt nicht mehr Priestersein, forderte Weisner. „Solche Täter sind auch in anderen Bereichen- etwa in Altenheimen - als Seelsorger unzumutbar.“ Denn sie hättenbeispielsweise für Beichtgespräche ihre moralische Autoritätverloren.
Schavan will Maßnahmen gegen Missbrauch
Unterdessen sucht Bundesbildungsministerin Annette Schavan nach konkreten Möglichkeiten, um dem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen vorzubeugen. Die CDU-Politerkin sagte „Bild am Sonntag“: „Ich werde in den nächsten Tagen mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz und den Vorsitzenden der Lehrerverbände darüber beraten, welche konkreten Maßnahmen wir ergreifen, um weiteren Fällen von Missbrauch vorzubeugen, Opfern zu helfen und damit Vertrauen auch bei Eltern wiederherzustellen.“
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende forderte von den betroffenen Bildungseinrichtungen vollständige Aufklärung: „Wo immer in Schulen und Internaten der Verdacht besteht, dass Missbrauch und Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen vorliegen, muss es null Toleranz geben und vollständige Aufklärung erfolgen. Nichts darf verheimlicht werden.“ Gewalt und Missbrauch gegenüber Schülern sei der schwerste Vertrauensbruch, der vorstellbar ist. „Das macht mich zornig“, so Schavan. „Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder vor Gewalt und Missbrauch in pädagogischen Einrichtungen geschützt sind.“
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der Katholischen Bischofskonferenz, kündigte in der Zeitung an: „Wir werden alles tun, was uns in Sachen Aufklärung und Prävention möglich ist. Ich erhoffe mir, dass Opfer ermutigt werden, über sexuellen Missbrauch zu sprechen und damit für sich einen Weg zu finden, ihr Leben trotz der schweren Verletzungen, die sie erlitten haben, positiv zu gestalten.“