Schweinegrippe: Das große Chaos vor der Massen-Impfung

Finanzierung, Organisation und der Nutzen der Aktion sind umstritten.

Berlin. In wenigen Wochen soll die größte Impfaktion seit 50 Jahren anrollen. Die Schweinegrippe könnte im Herbst laut offiziellen Einschätzungen erstmals Bundesbürgern das Leben kosten. Wenige Tage vor dem für Mittwoch geplanten Beschluss im Bundeskabinett eskaliert aber das Feilschen um die geplante Impfung bei zunächst 25 Millionen Bürgern - die Streitfragen:

Geht es nach Bundesregierung und Ländern schultern die Kassen die Kosten von zunächst 600 Millionen Euro. Die Kassen rechnen mit einer Milliarde und fordern eine Beteiligung der Länder, Steuermittel oder einen höheren Beitragssatz. Sonst müsste jeder zweite Versicherte bald Zusatzbeiträge berappen, warnt der Ökonom Jürgen Wasem.

Laut Verordnungsentwurf des Gesundheitsministeriums sind es zunächst vor allem Menschen mit Asthma, Bronchitis, Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes, schwerer Fettleibigkeit, Multipler Sklerose, bestimmten Immundefekten, HIV und Schwangere.

Die Kassen sollen mit ihren Abrechnungsdaten herausfinden, welche ihrer Versicherten dazu zählen und diese benachrichtigen. Die Vorbereitungen dafür sind aber nach Auskunft aus Kassenkreisen noch nicht breit angelaufen. Wie gut und schnell die Auswahl gelingt, ist umstritten.

Bisher ist der Verlauf der Krankheit meist nicht so schlimm. Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Wodarg kritisiert: "Das ist ein Riesengeschäft für die Pharmaindustrie." Der Arzneiversorgungsforscher Gerd Glaeske sagt, nicht einmal der Nutzen der saisonalen Grippe-Impfung sei ganz klar belegt. Impfen ließen sich nämlich vor allem die, die auch sonst auf ihre Gesundheit achten. "Die Impfung ist kein Allheilmittel."

Für Schlagzeilen sorgen Berichte über Risiken etwa bei Schwangeren. Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut wehrt sich gegen Vorwürfe, die Impfstoffe seien nicht genug geprüft. Die grundsätzlichen Daten lägen mit einem bereits bestehenden Impfstoff gegen Vogelgrippe vor. So wie jedes Jahr seien für den neuen Impfstoff Bestandteile von Grippeviren ausgetauscht worden. Dabei habe es noch nie Probleme gegeben. Klinische Studien mit Schwangeren gebe es aber nicht.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt vor einem Chaos wegen mangelnder Zuständigkeiten. Die Rollen der Gesundheitsämter, der niedergelassenen Ärzte, der Betriebsärzte und der Kliniken würden mit dem Verordnungsentwurf nicht klar bestimmt. Genaue Zuständigkeiten sind tatsächlich noch nicht geregelt. "In den nächsten Wochen geht es darum, dass die Länder Impfvereinbarungen mit den Kassen schließen", sagt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. "Die Organisation der Impfungen muss mit den Akteuren in den Regionen festgelegt werden."