Analyse: Eine Revolution im höchsten US-Gericht
Nach langem Ringen in Washington steigt erstmals eine Hispanierin in den Supreme Court auf.
Washington. Nicht nur US-Präsident Barack Obama zog das große Register, beschwor die Geschichte, sprach vollmundig von den großen Idealen des Landes. Auch die Medien waren ganz aus dem Häuschen. Die erste Hispanierin im Supreme Court, dem höchsten US-Gericht - es hörte sich fast so an, als habe sich in den Vereinigten Staaten eine kleine Revolution ereignet.
Die "Hispanics", die Einwanderer aus Lateinamerika - das sind diejenigen, die im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" die Drecksarbeit erledigen. Jetzt steigt die 55-jährige Sonia Sotomayor, Tochter puertoricanischer Immigranten, ins Hohe Gericht auf. Ein Meilenstein für die "Latinos", ein Erfolg für Obama - vor allem aber ein kluger politischer Schachzug. Ohne die Stimmen der armen Leute aus Mexiko, Kuba und Puerto Rico geht in den USA nichts mehr.
Die "Hispanos" - das ist mittlerweile die größte ethnische Minderheit im Land. 45 Millionen leben zwischen Florida und Kalifornien. Sie arbeiten in den Küchen von Restaurants, in den besseren Vierteln der USA halten sie die Gärten in Schuss. Kurz: Sie stehen auf der untersten Stufe der sozialen Leiter in den USA.
Doch mit einem Anteil von 15 Prozent an der US-Bevölkerung sind sie zum Machtfaktor in der Politik aufgestiegen. 67 Prozent der Hispanier unterstützten bei den Wahlen im November Obama. Kein Zweifel: So viel Zustimmung will belohnt werden.
Als die Senatoren zur feierlichen Abstimmung schritten, flossen bei manchem "Latino" die Tränen. Lobby-Gruppen saßen vor dem Fernseher, verfolgten gemeinsam die "historische Wahl" - es war ein Augenblick der Genugtuung und des Stolzes.
Tatsächlich verkörpert die Richterin ein Stück des "amerikanischen Traums". Aufgewachsen ist sie in der Bronx von New York. Der Vater starb, als sie neun Jahre alt war. Die Mutter arbeitete als Krankenschwester. Noch dazu wurde bei Sonia Sotomayor schon als Kind Diabetes diagnostiziert. Schwieriger kann der Start ins Leben kaum sein. Doch das begabte und fleißige Mädchen kämpfte gegen alle Widerstände, studierte an den Eliteuniversitäten Princeton und Yale, wurde Richterin. "Von ganz unten nach ganz oben", das sind die Geschichten, die "Hispanics" lieben.
Kaum war die Wahl beendet, eilte Obama vor die Kameras, beschwor die "historische Abstimmung", sprach von den "amerikanischen Idealen", schwärmte vom "einzigartigen amerikanischen Weg" der Richterin.