Selbstbedienungsladen für Abgeordnete?

Analyse: Steuerrebellen wollen die Pauschale für Politiker kippen. Sie gibt es zusätzlich zu den Diäten.

München. Michael Balke will es wissen. Er hält die steuerfreie Kostenpauschale für Bundestagsabgeordnete von 45000Euro jährlich für verfassungswidrig. Balke sieht nicht ein, warum bei den Parlamentariern nicht wie bei anderen Steuerzahlern nur jene Einnahmen steuerbefreit sind, für die tatsächliche Ausgaben nachgewiesen werden. Und so hat sich der Steuerrebell mit dem Fiskus angelegt und auch für sich einen ähnlich hohen Steuerfreibetrag gefordert.

Der Bundesfinanzhof (BFH) in München erörterte gestern Balkes Vorstoß und zwei ähnliche Klagen anderer Steuerzahler. Die BFH-Richter wollen am 2.Oktober bekanntgeben, ob sie den Streitfall zur grundsätzlichen Klärung an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe weiterleiten.

Balke kennt sich bestens mit Steuerrecht aus. Der in NRW wohnende Jurist ist Finanzrichter in Niedersachsen. "Die Abgeordneten führen sich auf wie Sonnenkönige, die das von ihnen geschaffene Steuerrecht für sich selbst nicht gelten lassen wollen", sagt er. Die steuerfreie Abgeordnetenpauschale sehen die Kläger als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. "Hier wird ganz extrem mit zweierlei Maß gemessen", kritisiert Kläger-Vertreter Hans-Peter Schneider in der mündlichen Verhandlung.

Die steuerfreie Kostenpauschale für die Bundestagsabgeordneten, die diese zusätzlich zu den Diäten erhalten, beträgt derzeit 3782 Euro im Monat oder 45384 Euro im Jahr. Sie soll die durch die Ausübung des Mandats entstehenden Aufwendungen abdecken. In den meisten Bundesländern gibt es ähnliche Regelungen für die Landtagsabgeordneten. "Die Abgeordnetenpauschale hat sich zu einem zusätzlichen Einkommen entwickelt", sagt Schneider. "Das ist ein Selbstbedienungsladen."

"Die Volksseele ist auf Seiten der Kläger", räumt der Bonner Staatsrechtler Christian Waldhoff ein. Doch nach seiner Auffassung ist die Pauschale geprägt vom Gedanken der freien Mandatsausübung und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Jura-Professor warnt davor, dass sich Aktionsprofile zum Beispiel über missliebige Oppositionspolitiker erstellen ließen, wenn die Abgeordneten dem Finanzamt Belege über ihre mandatsbedingten Ausgaben vorlegen müssten. Man dürfe nicht vergessen, dass der Unabhängigkeit der Abgeordnetentätigkeit im Grundgesetz ein hoher Stellenwert beigemessen werde. Deshalb könne man die Parlamentarier nicht mit anderen Berufen vergleichen.

Steuerberater Christian Winterhalter - er gehört zu den Klägern - kann nicht verstehen, dass bei der Festsetzung der Pauschale auch Kosten für eine Zweitwohnung am Sitz des Parlaments berücksichtigt wurden. Denn alle Bundestagsabgeordneten aus dem Großraum Berlin bräuchten ja gar keine Zweitwohnung. Und besonders empörend finden die Kläger, dass diese Pauschale regelmäßig an die Lebenshaltungskosten angepasst wird, während andere Pauschalen wie die Pendlerpauschale gekürzt wurden.