Staat will die Polizei besser schützen
Die Zahl der Gewalttaten gegen Polizisten steigt. Auch im Alltag werden die Beamten immer öfter als Gegner angesehen, Beleidigungen sind an der Tagesordnung.
Krefeld. Die Zahl der Gewalttaten gegen Polizeibeamte hat in den vergangenen 30 Jahren um 30 Prozent zugenommen. Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 28 000 Fälle registriert. "Es gibt eine Respektlosigkeit, das ist ungeheuerlich", sagt der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg.
Die schwarz-gelbe Regierungskoalition nimmt sich nun des Problems an. Auf Seite 109 des Koalitionsvertrags von Union und FDP steht: "Polizeibeamte und andere Personen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, werden immer häufiger Ziel brutaler gewalttätiger Angriffe. Wir wollen ihren strafrechtlichen Schutz - insbesondere durch eine Neufassung des § 113 Abs. 2 StGB - verbessern."
Dort ist bisher für den Fall brutaler Attacken, die eine Todesgefahr darstellen, eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen. Bei "normalen" Widerstandshandlungen hingegen sind Geldstrafen und Haft bis zu höchstens zwei Jahren vorgesehen.
Die jetzigen Regelungen würden den Taten nicht mehr gerecht, meint der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU). Wenn man ein Polizeiauto zerstöre, drohe eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren - bei Gewalt gegen Polizisten aber meist weniger, das sei paradox. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) spricht sich für schärfere Strafen aus.
Vor allem bei Krawallen werde die Gewalt immer heftiger. So berichtet der Berliner Polizeiobermeister André Baudach von einem Zwischenfall am Rande des G8-Gipfels in Rostock, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte.
Baudach sagte dem RBB-Rundfunk hinterher: "Die Menge hat gejohlt. Man hat versucht, mir den Helm abzureißen. Ich hab’ extrem starke Schläge auf den Helm gemerkt und hab’ den festgehalten. Man hat versucht, mich umzureißen. Es war eine Eisenstange, mit der auf mich eingeschlagen wurde. Das war ein Mordversuch. Und man sieht das auch in deren Augen, was die für einen Hass haben, und dass die dich umbringen wollen."
Doch zu Gewalt kommt es nicht nur bei Krawallen. In Köln wurden im September 2008 zwei Polizisten von einem Jugendlichen zu einer angeblich hilflosen Person gerufen, die auf einem Waldweg liegen sollte. Als die Beamten eintrafen, sprang der Mann vom Boden auf, dazu stürmten zwei Vermummte mit Pumpgun und Pistole aus dem Wald.
Die Beamten konnten nicht erkennen, dass es sich um Waffenattrappen handelte, trotzdem feuerten sie lediglich in die Luft. Die Täter flohen, verloren dabei jedoch ein Handy und konnten gefasst werden. Motiv der drei Jugendlichen (15 bis 17) mit Migrationshintergrund: Sie wollten die Pistolen der Beamten erbeuten, damit "US-Soldaten töten".
"In Berlin oder im Duisburger Norden gibt es Stadtteile, in denen sich die Kollegen kaum noch trauen, ein Auto anzuhalten - weil sie wissen, dass sie dann 40 oder 50 Mann an der Backe haben", sagte unlängst der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt dem "Spiegel". Diese Übergriffe seien fast schon "ein gezieltes Kräftemessen mit dem Staat."
Auch im ganz normalen Alltag werden die Beamten immer häufiger mit Gewalt konfrontiert. "Es gibt einen definitiven Unterschied zwischen der Polizeiarbeit noch vor 20 Jahren und heute", sagt der Krefelder Polizeihauptkommissar Jürgen Moll (47), der seit 26 Jahren "auf der Straße" ist. "Früher wurden wir von der breiten Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes als Schutzmann angesehen, konnten Streitfälle schnell schlichten, die allermeisten Situationen mit Worten in den Griff kriegen."
Das sei heute viel schwieriger geworden. Moll: "Wir sind hier in Krefeld längst nicht Berlin, Hamburg oder im Duisburger Norden. Aber auch wir erleben bei Einsätzen immer häufiger, dass sich zwei streitende Gruppe plötzlich gegen uns verbünden." Bei einst problemlosen polizeilichen Standard-Maßnahmen eskaliere heute die Situation oft blitzschnell.
Im vergangenen Jahr wurde Moll massiv angegriffen - von einem 14-Jährigen, den er nachts um 1 Uhr aus einer Kneipe herausholen und zu den Eltern bringen wollte. Moll benötigte die Hilfe eines Kollegen, um den um sich schlagenden Jugendlichen zu bändigen. "Ich wäre natürlich auch allein mit ihm fertiggeworden, aber dann hätte ich viel härter zugreifen müssen." Genau das aber wollte er nicht, denn die übrigen Gäste der Kneipe hatten sich bereits gegen die Beamten solidarisiert und bezeichneten deren Vorgehen als "völlig überzogen".
Beleidigungen gegen die Polizeibeamten sind inzwischen auch in Krefeld an der Tagesordnung. "Scheiß-Bulle ist dabei noch das harmloseste", sagt Moll. Ein Problem sei allerdings auch, dass sich die allgemeinen Wertvorstellungen geändert haben: "Die Leute sehen meist nur, dass sie viele Rechte haben. Und wenn ihnen jemand diese vermeintlichen Rechte beschneiden will, ist der sofort ein Gegner. Schon wenn wir ein Auto anhalten, werden wir oft angeblafft, was uns überhaupt einfällt."
Was hält er von einer Verschärfung der Gesetze? Moll: "Eine Strafverschärfung wird sicherlich den einen oder anderen abschrecken. Würde ich das nicht glauben, hätte ich meinen Beruf verfehlt."