Südeuropa droht eine Welle von Flüchtlingen

Exodus: Wegen der Unruhen wird die Seegrenze in Libyen nicht mehr bewacht. Der Weg übers Mittelmeer ist offen.

Tripolis. Libyens Seegrenzen werden nicht mehr bewacht. Auch ein Großteil von Küstenwacht und Marine hat dem zusammenbrechenden Regime von Diktator Muammar al-Gaddafi den Rücken gekehrt. Für Zigtausende illegale Immigranten aus Schwarzafrika, die sich in Libyen aufhalten, öffnet sich damit der Fluchtweg übers Mittelmeer nach Südeuropa. Genauso wie für unzählige junge Libyer, die am liebsten sofort aus ihrem heruntergekommenen Land flüchten wollen, in dem auch nach Gaddafis erwartetem Sturz noch lange Anarchie und Chaos regieren dürften.

„Wir sind sehr besorgt, dass es einen größeren Exodus aus Libyen geben könnte“, sagte eine Sprecherin des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR). „Es ist möglich, dass die Menschen mit Booten nach Europa kommen.“ Viele flüchteten, weil sie um ihr Leben fürchteten, andere vor politischer Verfolgung. „Der Weg über Nordafrika ist eine Hauptmigrationsroute für Menschen, die vor Kriegen und Gewalt auf dem afrikanischen Kontinent flüchten.“

2009 war die Seegrenze Libyens nach harten Verhandlungen mit Gaddafi dicht gemacht worden. Europa versprach dem Diktator damals für einen besseren Küstenschutz 50 Millionen Euro bis 2013. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex kooperierte mit Gaddafis Polizeistaat.

Wie viele Flüchtlinge in Libyen ausharren und auf eine Überfahrt Richtung Italien, Malta oder Griechenland warten, weiß niemand genau. Das UNHCR hat etwa 3000 Asylsuchende und 8000 Wirtschaftsmigranten erfasst. Vermutlich ein Bruchteil jener, die das Mittelmeer überqueren wollen.