Endlich Einigung über Hartz-IV-Neuregelung
Berlin (dpa) - Der lange und erbittert umkämpfte Kompromiss über die Hartz-IV-Neuregelung steht. Mit den Stimmen von Koalition und SPD billigte der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat am Mittwoch das Gesetzespaket nach wiederholten Verzögerungen.
In letzter Minute setzten die Länder nun doch Verbesserungen bei der finanziellen Abwicklung des Bildungspaketes zugunsten der Kommunen durch.
An diesem Freitag müssen Bundestag und Bundesrat der vom Bundesverfassungsgericht vor über einem Jahr geforderten Neuregelung noch zustimmen. Dies gilt nun als sicher.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zeigte sich nach Ende der Gespräche sichtlich erleichtert. „Wir hatten harte und zähe Verhandlungen.“ Das Geld für die Bildungshilfen der 2,5 Millionen Kinder werde nun zeitnah zu den Kommunen kommen. Die Lösung sei „finanztechnisch“ nicht einfach gewesen. Insgesamt würden mit dem Hartz-Paket 5,5 Milliarden Euro bewegt.
Mit der Reform verbunden ist die rückwirkende Anhebung des Regelsatzes zum 1. Januar um 5 auf 364 Euro. Anfang 2012 ist eine weitere Erhöhung um 3 Euro fällig plus die planmäßige Erhöhung wegen Inflation und Lohnentwicklung. Auch der lange Streit zwischen Bund und Ländern über die Aufteilung der Unterkunftskosten von Hartz-IV-Empfängern wurde mit der Einigung beigelegt.
Zu den Bildungshilfen für die Kinder von Langzeitarbeitslosen, Geringverdienern und Wohngeldempfängern zählen ein warmes Mittagessen in Schule oder Kita, Zuschüsse für Klassenfahrten und Beiträge für Sportvereine sowie bei Bedarf auch Nachhilfe. Vorgesehen sind auch Schulsozialarbeiter in den Kommunen. Die Hilfen können von den Eltern laut von der Leyen von sofort an in den kommunalen Jobcentern beantragt werden.
SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig sprach von einem wichtigen Schritt zur Bekämpfung der Kinderarmut. „Die harten Verhandlungen haben sich gelohnt.“ Für weitere 1,2 Millionen Menschen gebe es künftig einen Mindestlohn. Auch würden die Kommunen massiv entlastet. „Wir haben die Erfolge gemeinsam erzielt“, sagte die SPD-Vize zu von der Leyen gewandt. Schwesig: „Wir werden jetzt den Weg frei machen für ein gutes, verbessertes Gesetz.“
Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, äußerte die Erwartung, dass das Gesetz wegen des Regelsatzes wieder beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe landen wird. „Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“ Die Bundesregierung sei nicht bereit gewesen, über eine andere als die von ihr gewählte Regelsatzberechnung zu reden. Die Linke kündigte erneut die Anrufung des Verfassungsgerichtes an.
In der Nacht zum Mittwoch drohte auch das zweite Vermittlungsverfahren zu scheitern. Die Gespräche wurden nach sechsstündiger Dauer unterbrochen, weil die Länder mit den Modalitäten der nachträglichen Abrechnung für Leistungen aus dem Bildungspaket nicht einverstanden waren. Dabei sah sich der Bund der geschlossenen Verhandlungsfront der 16 Länder gegenüber. „Wir machen keinen Vertrag zulasten der Kommunen“, beteuerte Bayerns Regierungschef Horst Seehofer (CSU); „Es ist schon schwierig mit dieser Bundesregierung“, machte der CSU-Chef seinem Ärger Luft.
Die FDP versuchte bis zuletzt, die erst in der Nacht zum Montag ausgehandelten Protokoll-Formulierungen zum Mindestlohn für die Zeitarbeit wieder abzuschwächen, was SPD und Union gemeinsam abwehrten. FDP-Fraktionsvize Heinrich Kolb reklamierte es als Erfolg seiner Partei, dass die Zeitarbeit nicht stärker reguliert wurde. Der Mieterbund warnte die Kommunen, die geringe Erhöhung der Regelsätze durch Abschläge bei den Unterkunftskosten wieder zunichte zu machen.