Sympathiewelle für Joachim Gauck
Selbst die stellvertretende FDP-Chefin Pieper ist voll des Lobes für den rot-grünen Kandidaten.
Berlin. Der Kandidat ist über die vielen wohlwollenden Stellungnahmen denn doch beeindruckt: "Wer sollte da nicht überrascht sein?", fragt Joachim Gauck, als er sich am Montag früh vor dem Bundesvorstand der Grünen vorstellt.
In einer am Freitag noch nicht für möglich gehaltenen Sympathiewelle haben sich selbst als konservativ geltende Medien auf die Seite des ehemaligen DDR-Bürgerrechtlers geschlagen. "Yes, we Gauck", titelte beispielsweise eine große Boulevard-Zeitung. Und der "Spiegel" sieht in dem 70-jährigen Bürgerrechtler den "besseren Präsidenten".
Zahlreiche ausländische Medien äußern ihr Unverständnis über die Personalauswahl der schwarz-gelben Bundesregierung und verweisen darauf, dass Gauck wie kein anderer die wechselhafte deutsche Geschichte verkörpere. Und selbst die stellvertretende FDP-Vorsitzende, Cornelia Pieper, ist voll des Lobes über den rot-grünen Kandidaten: Im Wettkampf mit dem Koalitionskandidaten Christian Wulff (CDU) sei der Ex-Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde "absolut ebenbürtig und angemessen".
Die Westerwelle-Vertreterin zeigt sich zwar überzeugt, dass die FDP-Mitglieder in der Bundesversammlung für den Niedersachsen abstimmen würden. Aber sie verkneift sich den Hinweis nicht: "Wenn er keine großen Fehler macht."
Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt kommt in diesen Tagen ohne diplomatisches Geschick nicht aus. Im Auftrag ihres Chefs prüft sie in den ostdeutschen FDP-Landesverbänden die Stimmung bei den Funktionären. Die geborene Hallenserin muss einerseits auf die Gefühlswelt der Ost-Bürger Rücksicht nehmen, die von dem Kandidaten Gauck eindeutig geprägt worden ist.
Sie muss andererseits aber auch darauf hinweisen, dass eine Niederlage des Merkel-Kandidaten Wulff der Kanzlerin politisch irreparablen Schaden zufügen würde. "Die Koalition wäre in einem solchen Fall am Ende", unkt ein Westerwelle-Helfer im Dehler-Haus. Einige spielen bei der FDP aber genau mit diesem Feuer. Der Fraktionschef der baden-württembergischen Liberalen, Hans-Ulrich Rülke, bringt es auf einen kurzen Nenner: "Es könnte sich da ein Ventil auftun." Seine Argumentation: Vertreter der ostdeutschen Landesverbände könnten versucht sein, "ihrem Herzen zu folgen" und für den Ost-Bewerber stimmen.