Syrischer Flüchtlingsstrom in die Türkei schwillt an

Damaskus/Kairo (dpa) - Die Eskalation des Bürgerkrieges in Syrien treibt immer mehr Flüchtlinge ins Ausland. Allein seit Donnerstag verließen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR rund 11 000 Menschen das Land.

Die meisten von ihnen flohen in die Türkei, wo binnen 24 Stunden laut UNHCR bis zu 9000 Menschen eintrafen. Ankara nannte etwas niedrigere Zahlen: „Es sind 6500 bis 8000 Menschen gekommen. Einen genauen Überblick über die Zahl gibt es noch nicht“, sagte am Freitag ein türkischer Diplomat der Nachrichtenagentur dpa. Nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu kamen mit den Zivilisten auch 26 Offiziere über die Grenze.

Die Gesamtzahl der ins Ausland geflohenen Syrer stieg dem UNHCR zufolge inzwischen auf 408 000. Insgesamt werde die Zahl der Syrer, die auf internationale Hilfe angewiesenen sind, bis Jahresende wahrscheinlich von derzeit 2,5 Millionen auf 4 Millionen anwachsen, sagte der zuständige Direktor der UN-Nothilfekoordinierung (OCHA), John Ging, in Genf.

In Katars Hauptstadt Doha wählte der oppositionelle Syrische Nationalrat (SNC) am Freitag ein neues elfköpfiges Exekutivkomitee. Ein ursprünglich für den frühen Abend geplantes Treffen mit anderen Oppositionsgruppen musste wegen der langatmigen Debatten innerhalb des SNC verschoben werden.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, flog frustriert nach Kairo zurück. Er und mehrere Regierungsvertreter westlicher Staaten hatten in den vergangenen Tagen in Doha auf die Oppositionellen eingeredet, um sie zur Gründung einer repräsentativen Übergangsregierung zu bewegen.

Dem Bürgerkrieg in Syrien fielen am Freitag nach Angaben von Regimegegnern mindestens 108 Menschen zum Opfer. Die meisten Toten soll es in der Provinz Deir as-Saur gegeben haben.

Die syrische Armee feuerte nach Angaben eines Augenzeugen mit Artillerie auf mehrere nahe der Grenze zur Türkei gelegene Dörfer in der Provinz Idlib. In der türkischen Kleinstadt Ceylanpinar wurde ein Zivilist von einem Granatsplitter getroffen, wie der Sender CNN Türk berichtete. Erst am Donnerstag waren dort zwei Menschen von Querschlägern verletzt worden.

Auch unweit der israelischen Grenze lieferten sich syrische Rebellen Kämpfe mit den Regierungstruppen. Israel forderte Syrien auf, den bewaffneten Konflikt vom israelisch kontrollierten Territorium auf den Golan-Höhen fernzuhalten. „Wir machen das Regime in Damaskus für die Lage an der Grenze verantwortlich“, schrieb der stellvertretende israelische Ministerpräsident Mosche Jaalon am Freitag via Twitter.

Der von Israel 1967 eroberte Golan war zuletzt wiederholt von Querschlägern aus Syrien getroffen worden. Erst am Vortag waren drei Granaten im Grenzgebiet eingeschlagen.

Syriens Präsident Baschar al-Assad warf der Türkei und ihrem Regierungschef Recep Tayyip Erdogan Hegemoniebestrebungen vor. „Er denkt, dass er der neue Sultan der Osmanen ist und die Region kontrollieren kann wie während des Osmanischen Reiches.“ Erneut bestritt Assad, dass es in seinem Land einen Bürgerkrieg gebe. „Es handelt sich um Terrorismus und die Unterstützung von Terroristen aus dem Ausland, um Syrien zu destabilisieren“, sagte er „Russia Today“.

Außerhalb von Damaskus nahmen Regimegegner nach eigenen Angaben einen Stützpunkt der Luftwaffe ein. Arabische TV-Sender zeigten Videoaufnahmen, die angeblich in dem Stützpunkt in Al-Ghuta Al-Scharkija gemacht wurden. Sie zeigen unter anderem einen Hangar mit Raketen. Bei der Explosion zweier Autobomben in Randgebieten der Hauptstadt starben nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana mindestens sieben Menschen, Dutzende seien verletzt worden.

Die Allgemeine Kommission für die Syrische Revolution meldete, am Freitag habe die Armee vergeblich versucht, einen Stützpunkt der Freien Syrischen Armee im Bezirk Kunaitra einzunehmen. Dabei seien unter anderem Panzer- und Mörsergranaten eingesetzt worden.

UNHCR-Sprecherin Sybella Wilkes beklagte, von geschätzten 488 Millionen Dollar (375 Millionen Euro), die 52 Organisationen bis Jahresende für humanitäre Hilfe in Syrien erbeten hätten, seien bislang nur 35 Prozent von Geberstaaten bereitgestellt worden. „Das ist angesichts des näher rückenden Winters ganz schlimm.“