Trümmerlandschaft statt Luxus-Ambiente

Die Gipfel-Teilnehmer treffen sich in der mittelitalienischen Erdbebenregion.

Rom. Es wird eine neue Erfahrung für die mächtigsten Staatslenker der Welt. Während des am Mittwoch beginnenden G8-Gipfels werden sie nicht in Luxushotels nächtigen, sondern in einer Kaserne der italienischen Finanzpolizei.

Und auch das Rahmen-Programm trägt deutlich andere Züge als sonst: Gastgeber Silvio Berlusconi hat den Gipfel nämlich nach L’Aquila verlegt - mitten in die mittelitalienische Region, in der am 6. April die Erde bebte. Knapp 300 Menschen verloren damals ihr Leben. Die Städte und Dörfer liegen in Trümmern. Und immer noch sind die Überlebenden in Notunterkünften untergebracht.

Eigentlich sollten die Staatschefs und ihr Gefolge auf dem gewaltigen Kreuzfahrtschiff "MSC Fantasia" untergebracht werden, um auf der pittoresken Mittelmeerinsel La Maddalena zwischen Korsika und Sardinien im Luxus zu tagen. Doch nach dem Beben entschied Berlusconi um. Für den italienischen Regierungschef ist der Gipfel in L’Aquila ein "Akt der Solidarität" mit den Abruzzen.

Sein Einfall birgt aber Risiken. Denn seit dem verheerenden Erdstoß vom April, der 17.000 Menschen obdachlos und Tausende von Häusern unbewohnbar machte, gab es zahlreiche Nachbeben. Nur zwei Wochen vor dem G8-Gipfel rumpelte die Erde erneut in der beachtlichen Stärke von 4,5.

Für US-Präsident Barack Obama gibt es deshalb mehr als nur ein schönes Zimmer in der Militärkaserne und vielleicht sogar einen Platz fürs Basketballspiel: Es werden auch Helikopter bereitstehen, die den wichtigsten Mann des Planeten und die anderen Staatsmänner- und frauen im Falle des Falles rasch in Sicherheit bringen sollen. Die Teilnehmer des G8-Gipfels sollen bei einem Erdbeben ab Stärke 4 auf der Richter-Skala in Sicherheit gebracht werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird am Mittwoch vor Beginn des G8-Gipfels das knapp zehn Kilometer von L’Aquila entfernte Dörfchen Onna, das beim Erdbeben Anfang April fast vollständig zerstört worden war, besuchen.

Mit Hilfe der Bundesregierung, die drei Millionen Euro zur Verfügung stellt, soll in Onna bald eine neue Dorfkirche entstehen; diesmal erdbebensicher. Bei ihrer Kurzvisite wird Merkel auf Landsleute stoßen, die seit Wochen in Onna viel Gutes tun. Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW) unterstützen die gebeutelte Bevölkerung bei der Bewältigung der Krise. Es sind die einzigen ausländischen Helfer in Onna.

Der Ort hat zugleich eine für das deutsch-italienische Verhältnis wichtige Bedeutung. Im Juni 1944 hatte Hitlers Wehrmacht in dem Abruzzen-Dörfchen 17 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder zusammengetrieben, und sie erschießen lassen. Wenn Merkel am Mittwoch mit Berlusconi durch Onna geht, ist das auch eine Art Verbeugung vor den Nachfahren der Opfer.