Zeitdruck bei der Hartz-Reform

Der Fahrplan für das Gesetzespaket gerät ins Schlingern.

Berlin. So schaffen auch kleine Länder Fakten. Durch die angekündigte Stimmenthaltung des Saarlandes im Bundesrat gerät der Gesetzesfahrplan für die Hartz-IV-Neuerungen gefährlich ins Schlingern.

Ursprünglich war geplant, zum 1. Januar mehrere Neuerungen in Kraft treten zu lassen. Zu den Kernpunkten zählt, dass der Regelsatz für die Leistungsempfänger um fünf auf 364 Euro erhöht werden soll. Daneben soll es ein Bildungspaket für Kinder ärmerer Eltern geben. Das sind 740 Millionen Euro für gut zwei Millionen bedürftige Kinder.

Das Problem: Wenn der Gesetzentwurf am Freitag keine Mehrheit erhält — und davon geht inzwischen die Bundesregierung aus —, nimmt ein normalerweise zeitraubendes Vermittlungsverfahren seinen Lauf.

Der paritätisch aus Bundestags- und Bundesratsvertretern zusammengesetzte Vermittlungsausschuss würde unter normalen Umständen seine Arbeit erst 2011 aufnehmen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Neuregelung aber zur Jahreswende angemahnt. Und die Koalitionspolitiker haben zudem die Kinder im Visier, die auf staatliche Leistungen weiter warten müssen.

Ein anderer Termindruck-Faktor: Die Bundesagentur für Arbeit benötigt spätestens am Freitag grünes Licht, um die neuen Leistungen pünktlich auszahlen zu können. Deswegen hat die Bundesregierung den Versuch gestartet, die Kritiker zu einem Turbo-Vermittlungsverfahren zu ermuntern.

Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger regte an, man könne sich am Tag vor Heiligabend zusammensetzen, um einen Ausweg aus der vertrackten Situation zu finden. SPD-Vize Manuela Schwesig setzt in Sachen schneller Lösungsbereitschaft noch einen drauf: „Wir können sofort nach der Bundesratssitzung beginnen.“

Wann auch immer: In der Konsequenz wäre der Weihnachtsfriede der Parlamentarier gefährdet. Denn wenn der Vermittlungsausschuss zu einer Einigung kommen sollte, müssten Bundestag und Bundesrat zu eiligen Sondersitzungen in den Weihnachtsferien in Berlin zusammenkommen.

Experten glauben aber nicht mehr daran, dass ein solches Vorhaben realistisch ist. Inhaltlich sind die Konfliktlinien etwas verworren und vor allem für die Oppositionsparteien SPD und Grüne schwer darstellbar: Beide Parteien sind die Wegbereiter der Agenda 2010 und haben die Regelsätze für Hartz-Empfänger einst festgelegt.

Jetzt stehen sie an der Spitze der Bewegung derer, die die Festlegung der Bedarfssätze nicht von der Haushaltslage abhängig machen wollen.

Aber nennenswerte Aufstockungen wird die Opposition mit Blick auf den defizitären Bundesetat nicht durchsetzen können. „Es geht um eine Geste an die Ärmsten“, hört man aus der SPD.

Politisch entscheidender wird wohl die Auseinandersetzung um das von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) konzipierte Bildungspaket für Kinder. Schwesig nennt eine Bedingung: Dieses müsse auch Kindern von geringverdienenden Familien zugute kommen und nicht nur Kindern aus Hartz-Familien.