Alkoholprobleme im Job - Sucht am Arbeitsplatz ansprechen
Hamm (dpa/tmn) - Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland haben Probleme mit Alkohol. Das zeigt der aktuelle AOK-Fehlzeiten-Report. Auch die Techniker Krankenkasse meldet mehr suchtbedingte Fehltage. Vor allem Chefs sind in der Pflicht, das Thema anzusprechen.
Mehr ab- als anwesend, unzuverlässig, gereizt und mit Alkoholfahne - Sucht am Arbeitsplatz ist keine Seltenheit. Immer öfter fehlen Arbeitnehmer aufgrund von Problemen im Zusammenhang mit Alkohol. Das ergab der Fehlzeiten-Report 2013 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), der am Donnerstag (22. August) in Berlin vorgestellt wurde.
Am Vortag hatte bereits die Techniker Krankenkasse (TK) mitgeteilt, dass alkoholbedingte Ausfälle in den letzten Jahren enorm zugenommen hätten. Laut den jüngsten TK-Daten gab es bundesweit im
vergangenen Jahr 1,8 Millionen alkoholbedingte Fehltage. Diese Zahl ergebe sich, wenn man die rund 236 000 Krankheitstage durch Alkohol bei der TK bundesweit hochrechne.
Die TK machte auf den Diagnoseschlüssel „F10 - psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“ aufmerksam. Die Ärzte hätten zuletzt für fast 5000 TK-Versicherte diesen Befund erstellt. Sie
litten unter Alkoholabhängigkeit, Entzugssyndrom und psychotischen Störungen. Im Schnitt seien die Betroffenen über sieben Wochen krankgeschrieben.
Auch die Krankenkasse Barmer GEK hatte sich mit dem Thema befasst. Ein Gesundheitsreport der Kasse vom vergangenen Jahr zeigt, dass Arbeitnehmer mit Alkoholproblemen im Schnitt viermal so lange im Job
fehlten wie jene ohne. Hier häuften sich psychische Erkrankungen, Verletzungen und Magen-Darm-Probleme.
Doch was tun, wenn ein Kollege oder Mitarbeiter trinkt? „Man sollte auf keinen Fall die Augen verschließen, dann verstetigen sich die Probleme nur noch“, rät Peter Raiser, Projektkoordinator für Sucht am Arbeitsplatz von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Eine vermutete Alkoholabhängigkeit sollte angesprochen werden - das sei Aufgabe des Chefs. Kollegen sollten aber auch nicht wegsehen, wenn ihnen Probleme von Mitarbeitern auffallen. Das ist zwar ein Tabuthema, aber hier gilt ebenfalls: „Es nicht anzusprechen, wird nichts verbessern.“
Der Kollege muss sich vor dem Gespräch allerdings über das persönliche Verhältnis klar sein: „Bin ich ein Freund? Oder bin ich nur ein Kollege?“ Als Freund bietet man Hilfe an, schlägt Therapiemöglichkeiten vor. Sieht man sich nur als Kollegen, ist es besser, auf seine eigenen Nachteile in der Zusammenarbeit hinzuweisen. Ein Gespräch mit dem Vorgesetzten über die Probleme bei der Zusammenarbeit sei besser, als nichts zu tun, sagte Raiser. Kollegen sollten sich also nicht davor scheuen, sich mit solchen Problemen an den Chef zu wenden, damit dieser aktiv wird.
Für den Chef ist die Sache klar: Als Führungskraft steht er in der Pflicht. In einem Gespräch mit dem Betroffenen unter vier Augen kann er seine Sorgen über den Zustand ausdrücken oder zur Klärung des Problems beitragen. „Allerdings sollte er nicht versuchen, mit seiner Lebenserfahrung helfen zu wollen“, betont Raiser.
Der Vorgesetzte sollte sich an Beratungsstellen wenden und das Gespräch vorbereiten. Einige Beratungen bieten spezielle Gesprächsleitfäden an. Der Einstieg beginnt am besten mit dem Satz „Mir sind Probleme aufgefallen“, erklärt Raiser. „Dann sollten auch konkrete Vorfälle genannt werden.“ Der Chef muss davon ausgehen, dass der Mitarbeiter im ersten Moment ausweicht und seine Sucht kleinredet.
Grundsätzlich gelte, dem Angestellten keinen moralischen Vorwurf zu machen: „Alkoholsucht ist ein Gesundheitsproblem.“ Auch ist es nicht Sache des Chefs, eine Diagnose zu stellen. Stattdessen sollte er auf Therapieangebote in der Umgebung aufmerksam machen. „Auf keinen Fall kann und soll er den Mitarbeiter zwingen, eine Therapie zu machen - das ist dessen eigene Entscheidung.“
Auch Erwartungen gegenüber dem Mitarbeiter sollte der Chef benennen. Ein Interventionsleitfaden der Suchtberatungsstellen sieht weitere Gespräche vor, etwa mit dem Betriebsarzt oder der Personalabteilung. In letzter Folge drohe die Kündigung, wenn Betroffene wegen ihres Leidens bei der Arbeit schludern und sich immer wieder Verfehlungen leisten.