Coworking Spaces im Trend - Arbeitsplatz mit sozialem Anschluss
Nürnberg (dpa/tmn) - Gemeinschaftsbüro statt Home-Office: Immer mehr Freiberufler und Selbstständige mieten sich in Coworking Spaces ein. Die bieten das, was berufliche Einzelkämpfer trotz Smartphone und Facebook oft vermissen: sozialen Anschluss.
Gut gelaunt kommt Esther Bartenschlager am Vormittag an ihren Arbeitsplatz: ein blaues, gemütliches Sofa. Sie setzt sich, legt die Füße auf den Tisch und packt Laptop und Handy aus. So arbeitet die 36-Jährige fast jeden Tag. „Das ist voll Bombe hier“, schwärmt die Nürnbergerin, die einen Onlineshop für Wohnaccessoires betreibt. Bis vor kurzem hat sie ihr virtuelles Geschäft von zu Hause aus geführt. Weil ihr die eigenen vier Wände auf Dauer zu öde wurden, arbeitet sie jetzt in einem Coworking Space.
Freiberufler, Start-ups oder Projektgruppen können sich flexibel in diese neuartigen Bürogemeinschaften einmieten — für einen Tag, ein paar Wochen oder ein Jahr. „Viele Freiberufler fühlen sich einsam, wollen nicht alleine arbeiten“, erklären Michael Stingl und Felix Böhm, Gründer von Coworking Space Nürnberg. „Da verzichtet man schon mal auf den großen Schreibtisch im Home-Office oder sieht darüber hinweg, dass nicht die Lieblingsseife auf der Toilette liegt.“ 19 Euro kostet bei den beiden 33-Jährigen ein Arbeitsplatz pro Tag, ausgestattet mit Internetzugang, Drucker und Scanner. Kaffee ist mit einer Flatrate abonnierbar.
Coworking Spaces wirken oftmals weniger wie Büros, sondern eher wie hippe Wohngemeinschaften: Wer es, wie Esther Bartenschlager, gemütlicher mag, kann im Nürnberger Ableger auf dem Sofa arbeiten oder in knallbunten Sitzkissen Pause machen. Es gibt eine Café-Theke, ein Regal mit Brettspielen und einen großen Kühlschrank mit Getränken. In einer Ecke stehen mehrere E-Gitarren - nach Feierabend wird das Nürnberger Coworking Space schon mal zum Partyraum.
Josephine Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart sieht in der neuen Arbeitsform einen Gegentrend zu virtuellen Technologien: „Die direkte Begegnung und die persönliche Zusammenarbeit verfügt über eine Dynamik und Qualität, die von virtuellen Welten eben nur teilweise unterstützt werden kann“, erläutert die Forscherin. Kreative Diskussionen seien in Räumen mit anregendem Ambiente besser möglich.
Ute Maßmann, Mitgründerin der Spacebox München, kann das bestätigen: „Ich habe 13 Jahre im Büro eines Unternehmens gearbeitet; nachdem ich mich selbstständig gemacht hatte, fehlte mir der Austausch mit Kollegen“, sagt die freiberufliche Eventmanagerin. Elf Arbeitsplätze in Loft-Atmosphäre bietet Maßmann in ihrem Coworking Space an. Coworking ermögliche auch eine bessere Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatem, betont sie. Zu Hause habe sie, wie viele Selbstständige, fast rund um die Uhr gearbeitet.
Selbst im oberbayerischen Dießen gibt es die neue Form des Arbeitens schon: „Denkerhaus“ heißt das Projekt in ländlicher Umgebung am Ammersee. „Hunderte kreative Köpfe werkeln Tag für Tag in ihren Kellerbüros und Dachkammern vor sich hin“, sagt Hans-Peter Sander vom „Denkerhaus“. Seiner Einschätzung nach tragen Coworking Spaces dazu bei, die Isolation von Heimbüro-Arbeitern zu durchbrechen.
Der Begriff Bürogemeinschaft gefällt Michael Stingl vom Coworking Space Nürnberg deshalb weniger. Er spricht von einer „aktiven Arbeitsgemeinschaft“. Viele Aufträge würden untereinander vergeben, quasi auf Zuruf von Tisch zu Tisch. Für Onlineshop-Betreiberin Bartenschlager zählt ein einfacher Vorteil: „Manchmal reicht es mir schon, das Gefühl zu haben, nicht allein zu sein.“