Der Druck wächst: Höhere Anforderungen sorgen für Stress im Job
Köln (dpa/tmn) - Stress, lass nach - das wünschen sich viele Arbeitnehmer. Denn gefühlt wächst der Druck im Arbeitsleben zunehmend. Schuld ist nicht immer der Chef. Auch die Anforderungen wachsen. Und nicht zuletzt die eigenen Ansprüche erhöhen den Druck.
Der Stress im Arbeitsalltag macht vielen zu schaffen. Und nicht wenige haben den Eindruck, dass sich das Hamsterrad im Job jeden Tag schneller und schneller dreht. Denn die Arbeitswelt verändert sich heute teilweise rasant. Dadurch steigen auch die Anforderungen. Im Interview erklärt Theresia Volk, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSv), welche Folgen das für Beschäftigte hat.
Frage: Was macht Arbeitnehmern heute vor allem zu schaffen?
Antwort: Es geht um Dinge wie Leistungsdruck und ständig wachsende Anforderungen. Manche leiden darunter, keine hohe Qualität mehr liefern zu können, weil ihnen die Zeit für eine gute Arbeit fehlt. Da geht Stolz auf die eigene Leistung verloren. Neu ist ein nachlassendes Zugehörigkeitsgefühl. Früher war die Verweildauer eines Chefs oder eines Mitarbeiters in der Firma viel länger. Jetzt muss man sich permanent an neue Leute gewöhnen. Mit ständiger Fluktuation geht auch die gegenseitige kollegiale Unterstützung verloren.
Frage: Sind die Probleme strukturell bedingt?
Antwort: Der Bedarf an Coaching und Supervision ist enorm gewachsen. Das lässt den Rückschluss zu, dass in den vergangenen 20 Jahren die Komplexität der Arbeit erheblich zunahm. In den Unternehmen werden immer mehr Entscheidungen auf die untere Ebene verlagert. Es gibt kaum noch eine Firma, wo der Boss sagt, was zu tun ist, und alle folgen wie die Lemminge. Flexibilität und unternehmerisches Denken wird von den einzelnen Mitarbeitern in immer stärkerem Maße erwartet. Gleichzeitig fehlen Zeit und Rahmenbedingungen, um das zu bewältigen. Der Einzelne gerät immer stärker unter Druck.
Frage: Und das überfordert viele?
Antwort: Es gibt in der Tat eine gewisse Grunderschöpfung. Sie ist das Ergebnis eines permanenten Optimierung- oder Renditezwanges: um wettbewerbsfähig zu bleiben als Einzelner wie als Organisation. Es gibt in Firmen keine Puffer mehr, die so etwas ausgleichen können. Technisch ist es machbar, Informationen oder Dienstleistungen zwischen Indien und Reutlingen hin und her zu schicken. Der Mensch mit seinen Gefühlen und auch Ängsten ist aber nicht unbedingt in der Lage, das alles so perfekt hinzubekommen. Den Druck macht ja nicht immer der böse Chef. Er entsteht, weil wir auch an uns selbst hohe Anforderungen stellen. Das führt zu einer Grundüberanstrengung.
Frage: Wie hat sich die Lage für Chefs verändert?
Antwort: Wer vor 20 Jahren eine Führungsposition antrat, konnte durch eine gute und sinnvolle Einarbeitung Fuß fassen. Heute ist eine Chefstelle sofort mit einem Auftrag zu Veränderungen verbunden. Die neuen Chefs müssen anfangen, obwohl sie den Laden noch gar nicht gut kennen und häufig auch nicht die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit bis ins letzte Detail. Sie haben das Gefühl, sich dauernd selbst überholen zu müssen. Es gibt viele Dinge, die Energie von der eigentlichen Arbeit abziehen. Globalisierung erhöht die Notwendigkeit zur Kommunikation. Früher mussten Prozesse zwischen fünf deutschen Filialen abgestimmt werden, heute zwischen fünf Kontinenten.
Zur Person: Theresia Volk, Jahrgang 1962, studierte Geschichte, Theologie und Germanistik an der Universität Freiburg. Heute ist sie Inhaberin einer Firma für Management Consulting. Frühere Berufsstationen waren unter anderem die Audi Akademie in Ingolstadt und die Landesjugendakademie Niedersachsen. Volk ist Lehrbeauftragte an vielen Instituten und Hochschulen.