Exotisches Auslandssemester: Studieren in China
Aachen/Peking (dpa/tmn) - Toleranz, Geduld und Empathie brauchen Studenten, die ein Auslandssemester in China machen wollen. Denn das Leben dort ist ganz anders als hier: Die Uni ist verschulter, und bei der Kommunikation gibt es nicht nur sprachliche Probleme.
Als Christoph Rohmer sich vor zwei Jahren für einen einjährigen Studienaufenthalt in China entschied, da wollte er vor allem eines: „Einen Tapetenwechsel. Ich hatte gehört, dass das Leben dort komplett anders ist. Das hat mich gereizt“, erzählt er. Heute ist Christoph Rohmer 28 Jahre alt und macht gerade sein Diplom in Wirtschaftsingenieurwissenschaften an der RWTH Aachen. Einen Master von der chinesischen Tsinghua-Universität in Peking hat er schon.
Ein Studienaufenthalt in China: Mit dieser Erfahrung wäre Christoph Rohmer vor zwanzig Jahren noch der absolute Exot unter den Studenten gewesen. Heute ist er einer von mindestens 1000 deutschen Hochschülern, die jedes Jahr nach China gehen, wie Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen. Und nach Einschätzung von Experten werden es immer mehr. „China wird wirtschaftlich immer wichtiger“, sagt etwa Peter Hartges, Koordinator für die China-Programme an der RWTH Aachen.
An der RWTH Aachen gibt es mehr Bewerber als Plätze für das Programm an der Tsinghua-Universität. Jedes Jahr können 30 deutsche Studenten nach China gehen. Bewerbungen gibt es jährlich bis zu 50.
Dabei könnte der Unterschied zum deutschen Hochschulsystem gar nicht größer sein. Während in Rohmers Vorlesungen in Aachen mehrere hundert Personen sitzen, fand der Unterricht in China in Seminaren mit nicht mehr als 30 Personen statt.
In Rohmers Klasse war nur jeder Vierte ein Chinese. Der Rest war wie Rohmer deutsch oder anderer, nicht-chinesischer Herkunft. Vielleicht lag es daran, dass er in der Klasse keine chinesischen Freunde gefunden hat. „Mit den Chinesen in meiner Klassen war es schwierig. Freundschaften sind zu ihnen keine entstanden.“
Annette Merker ist Sinologin, Leiterin von Seminaren zur Interkulturellen Kommunikation und arbeitet seit 12 Jahren am Eurasia Institute in Berlin. Dass es kaum möglich war, in dem Jahr chinesische Freunde zu finden, hält sie nicht für untypisch. „Die deutschen Studenten bleiben in China oft außen vor“, sagt Merker.
Rohmer hat versucht, die Sprache zu lernen. Der Vorlesung in Produktionstechnik habe er dennoch nicht ansatzweise auf Chinesisch folgen können. Merker schätzt, dass junge Leute die Sprache im Minimum ein Jahr intensiv lernen müssen, um sie einigermaßen fließend zu sprechen, und im Anschluss ein Jahr dort leben sollten. Aber die Sprache ist nur ein Hindernis, um in den, wie Merker es nennt, „inneren Zirkel“ der Chinesen vorzudringen. Dazu kommen noch die extremen kulturellen Unterschiede.
Das fängt beim Thema Hierarchie an. „Unsere Studenten sind individualistisch, freiheitlich und demokratisch aufgewachsen. Wir haben eine Streitkultur. Die chinesische Kultur ist aber eine Konsenskultur“, erklärt sie. Widerworte an der Uni seien gegenüber dem Professor indiskutabel.
Wer sich für einen Studienaufenthalt entscheidet, sollte daher auf jeden Fall tolerant sein. „Empathie, Offenheit und Aushalten gehören in jeden Rucksack“, sagt Merker. Aber auch wenn die China-Austauschstudenten anders als bei Studienaufenthalten in Frankreich oder Spanien vielleicht nicht in den inneren Zirkel vordringen: Spannend wird es definitiv werden. Christoph Rohmer sagt: „Ich würde es auf jeden Fall noch einmal machen. Es war bislang die aufregendste Zeit in meinem Leben.“