In der Warteschleife: Was bei Kettenbefristungen erlaubt ist
Wittenburg (dpa/tmn) - In Wittenburg hat eine Postbotin 88 befristete Arbeitsverträge bekommen - dagegen klagt sie nun vor Gericht. Der Fall mag außergewöhnlich sein. Doch viele fragen sich: Was ist bei Kettenbefristungen erlaubt?
Und wie können Arbeitnehmer sich wehren?
Am Anfang konnte Anja Helffenstein gar nicht glauben, dass ihr das passiert. „Erst habe ich gedacht, ich hab' mich verhört“, erzählt die 41-Jährige. Seit 1997 arbeitet sie mit einer längeren Unterbrechung als Aushilfe für ein Postunternehmen - 88 befristete Arbeitsverträge hat sie in dieser Zeit gehabt.
Der letzte lief Ende April aus. Als sie sich Anfang des Monats nach einem Folgevertrag erkundigt, teilt ihr der Arbeitgeber mit, dass es keinen gibt. Der Grund: Sie habe Anfang des Jahres nicht eingesetzt werden können. Nach Neujahr war Helffenstein eine Zeit lang krankgeschrieben. Seit dem 1. Mai ist sie arbeitslos.
Mag die Häufigkeit der Befristungen bei Helffenstein auch ungewöhnlich sein - Arbeitsverträge auf Zeit sind längst keine Ausnahme mehr. Diese sind nach dem Gesetz in zwei Fällen erlaubt: Der Arbeitgeber kann ein Arbeitsverhältnis ohne Angabe eines Grundes bis zu zwei Jahre befristen. Innerhalb dieser zwei Jahre darf er den Arbeitsvertrag bis zu dreimal verlängern.
Daneben gibt es - wie bei Helffenstein - die Befristung mit Sachgrund. „Diese Zeitverträge kann der Arbeitgeber im Prinzip unendlich oft machen“, erläutert Hans-Georg Meier, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Es kann zum Beispiel sein, dass der Arbeitgeber Personal nur für eine Schwangerschafts- oder Elternzeitvertretung oder für ein bestimmtes Projekt braucht.
Doch auch wenn das Gesetz Kettenbefristungen grundsätzlich erlaubt, seien Mitarbeiter nicht ganz ohne Rechte, sagt Prof. Björn Gaul, Fachanwalt für Arbeitsrecht. „Die Rechtsprechung hat den Kettenbefristungen inzwischen Grenzen gesetzt.“ Danach seien sie immer dann unzulässig, wenn in der wiederholten Befristung rechtsmissbräuchliches Verhalten zu sehen ist.
Wann ein Rechtsmissbrauch gegeben ist, bestimmten die Gerichte im Einzelfall. Ein Indiz für Rechtsmissbrauch sei, wenn Arbeitnehmer länger als vier Jahre bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind und bereits mehr als sechs Verlängerungen bekommen haben, erläutert Prof. Gaul. Wenn der Arbeitgeber keine Gründe für die Notwendigkeit einer erneuten Befristung vortragen könne, sei die Chance für Mitarbeiter groß, vor Gericht eine Entfristung ihres Vertrags zu erstreiten. Einige Berufsgruppen sind von dieser Regelung aber ausgeschlossen. „Dazu zählen Angestellte im Bereich Kunst, Wissenschaft und Presse“, sagt Rechtsanwalt Meier. Hier können Kettenbefristungen auch über diese Grenzen hinaus erlaubt sein.
Wer selbst von einer Kettenbefristung betroffen ist, sollte vor allem eines beachten: Um vor Gericht die Entfristung zu erstreiten, ist nicht viel Zeit. Die Klage muss spätestens drei Wochen nach dem Ende des Arbeitsvertrags bei Gericht eingegangen sein, erklärt Prof. Gaul. Wird sie später eingereicht, ist sie unzulässig.
Anja Helffenstein hat nun erst einmal Klage beim Arbeitsgericht eingereicht. Sie hofft darauf, dass die Richter ihr zu einer festen Stelle verhelfen. Trotz allem will sie wieder bei ihrem alten Arbeitgeber anfangen. „Ich habe die Arbeit gerne gemacht“, sagt sie.