Leistung ist nicht alles - Im ersten Job nach dem Studium punkten
Frankfurt/Main (dpa/tmn) — Sie wissen alles besser und treten viel zu forsch auf: Mancher Hochschulabsolvent tritt beim ersten Job von einem Fettnäpfchen ins nächste. Dabei braucht es meist gar nicht viel, um einen guten Eindruck zu machen.
Oft zählen kleine Gesten.
Sie kauen im Meeting Kaugummi oder bieten dem älteren Kollegen am ersten Tag das „Du“ an: Hochschulabsolventen verhalten sich beim häufig nicht angemessen. „Ob man die Hierarchien nicht beachtet oder zu forsch auftritt — die meisten Einstiegsfehler lauern im Bereich der Soft Skills“, sagt die Karriereberaterin Anke Quittschau. Am eigenen Auftritt feilen — das ist beim Berufseinstieg deshalb Pflicht.
„Das größte Fettnäpfchen besteht darin, dass sich einige zu sehr darin sonnen, aufgrund des Fachkräftemangels dringend benötigt zu werden“, erklärt die Etikette-Trainerin Nandine Meyden aus Berlin. Diese Berufseinsteiger seien stark von sich eingenommen und der Meinung, sich alles erlauben zu können. „Dabei übersehen sie aber, dass es nicht nur um Leistung geht, sondern auch um Persönlichkeit.“
Viele wenden sich laut Meyden gezielt nur Leuten zu, die ihnen wichtig erscheinen. Praktikanten oder Sekretärinnen würden geflissentlich ignoriert. Dabei sei jemand, der wirklich Stil hat, zur Putzfrau genauso freundlich wie zum Vorgesetzten. „Das ist nicht nur gut für die Verdrahtung innerhalb der Firma, sondern zeigt auch Sozialkompetenz“, bestätigt Susanne Reinker, Ratgeberautorin zum Thema.
Reinker beobachtet bei sehr gut ausgebildeten Berufseinsteigern außerdem etwas, das sie das „Neue Besen“-Syndrom nennt. „Es ist eine unangenehme Eigenschaft von Hochschulabsolventen, dass sie am Anfang die Abteilung am liebsten neu organisieren möchten“, sagt Reinker. Doch so mancher, der mit seinem Universitätswissen glänzen wolle, habe das Räderwerk der Firma noch gar nicht durchschaut. „Während der Probezeit ist deshalb Zurückhaltung angesagt“, rät Reinker.
Laut Karriereberaterin Nadja Henrich aus Füssen ist es außerdem wichtig, die Kollegen für sich zu gewinnen. Dazu gehöre, zuverlässig zu arbeiten, immer wieder seine Hilfe anzubieten und auch über die Arbeitszeit hinaus ab und an etwas länger da zu sein. Wer Aufgaben von Kollegen bekommt, aber keinen Hinweis auf eine Deadline, sollte nachfragen.
Auch sei es unumgänglich, die Spielregeln der Hierarchie innerhalb des Unternehmens zu beachten, sagt Etikette-Expertin Meyden. „An der Uni gab es einen lockeren Umgangston. Man hat vielleicht berühmte Professoren ohne akademischen Grad und mit "Hallo" angeschrieben“, erklärt Meyden. Im Job sei das problematisch. Hier müsse man darauf achten, in einer E-Mail erst den Chef und dann die ihm in der Hierarchie folgenden Mitarbeiter anzuschreiben.
Doch neben diesen formalen Regeln existieren in jeder Firma auch ungeschriebene Gesetze. Vor allem in flachen Hierarchien sind diese nicht immer einfach zu durchschauen. „Wer schlau ist, orientiert sich am Verhalten der Kollegen“, empfiehlt Meyden.
Karriereberaterin Henrich warnt aber auch davor, zu früh Allianzen mit anderen Kollegen zu bilden. „Es ist ja gar nicht klar, welches Standing ein Mitarbeiter im Haus hat“, sagt sie. Berufsanfänger sollten sich auch mit persönlichen Äußerungen zurückhalten. Über Hobbys und Wochenendunternehmungen könne man sprechen, private Probleme blieben besser außen vor. „Junge Menschen erzählen von sich aus alles Mögliche“, kritisiert Etikette-Expertin Meyden. Dabei gelte hier wie bei so vielem: Weniger ist mehr. Schließlich wisse man am Anfang nie, wer einem wohlgesonnen sei und wer nicht.
Literatur:
- Anke Quittschau/Christian Tabernig: „Die ersten 100 Tage im neuen Job“, Beck Juristischer Verlag, 2013, ISBN-13: 978-3406648250, 126 S., 6,90 Euro
- Susanne Reinker „Unkündbar. Wie Sie sich für Ihren Chef unentbehrlich machen“, Ullstein Taschenbuch, 2007, ISBN-13: 978-3548369907