Medizin studieren mit schlechten Noten - ein Leitfaden

Dortmund (dpa/tmn) — Die Zeugnisse: In der Schule oft noch notwendiges Übel, spätestens nach dem Abi aber oft ausschlaggebend für den weiteren Berufsweg. Das gilt besonders für sehr begehrte und daher zulassungsbeschränkte Studiengänge wie Medizin.

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Wer angesichts des elitären NC in fassungsloses Staunen gerät, muss aber nicht gleich aufgeben: Auch für Abiturienten mit schlechtem Schnitt gibt es Möglichkeiten, doch noch Mediziner zu werden.

Der Klassiker: Wartezeit. „Fast alles im Leben ist Wartezeit, außer ein Studium an einer deutschen Hochschule“, erklärt Kerstin Lütge-Varney von der Stiftung für Hochschulzulassung hochschulstart.de. Ausschlaggebend ist die Zeit zwischen Abitur und Bewerbung, in der man nicht an einer Uni in Deutschland immatrikuliert war. „Momentan sind im Durchschnitt mindestens zwölf Wartesemester erforderlich“, erzählt Lütge-Varney. Wie sich die Quote entwickelt, hängt etwa von der Zahl der Mitbewerber mit Wartezeit ab.

Studienplatzklage: Grundlage dafür ist das Recht zur freien Berufswahl nach Artikel 12 des Grundgesetzes. In einer Klage kann man sich sowohl gegen die Vergabeverfahren wenden als auch sogenannte außerkapazitäre Studienplätze einklagen. „Das sind Plätze, die aufgrund falscher Kapazitätsberechnung der Universitäten nicht ausgeschrieben sind“, erklärt Mechthild Düsing, Hochschulrechtsexpertin beim Deutschen Anwaltverein.

Die Erfolgsaussichten schwanken. Wer sich in höheren Semestern als Quereinsteiger einklagt, hat beispielsweise bessere Chancen als zu Studienbeginn. „Die Kosten sind allerdings enorm“, sagt Düsing. Für die Klage gegen eine Universität seien mindestens 1000 Euro zu veranschlagen. Da die Erfolgsaussichten bei mehreren parallelen Klagen steigen, kommt man schnell auf mehrere tausend Euro. Ist die Klage gewonnen, hat man den Studienplatz außerdem nicht einmal sicher. „Normalerweise wird gelost“, erklärt Düsing das Prozedere, wenn es mehr Kläger gibt als freie Kapazitäten an den Unis.

Auswahlverfahren der Hochschulen: Zusätzlich zur zentralen Studienplatzvergabe über hochschulstart.de vergeben die Hochschulen 60 Prozent der Plätze in eigenen Auswahlverfahren. Bei einigen zählen neben der Abinote auch abgeschlossene Berufsausbildungen, Praktika, Auswahlgespräche oder Ergebnisse in Medizinertests. Außerdem hat die Bundeswehr ein eigenes Kontingent von 2,2 Prozent aller Medizinerplätze. Hauptkriterium für die Auswahl ist hier das Ergebnis des Eignungsfeststellungsverfahrens für Offiziersanwärter. Voraussetzung ist allerdings, sich für 17 Jahre zu verpflichten. Dafür gibt es aber auch entsprechendes Gehalt.

Medizinertest: Die meisten Hochschulen bewerten die Ergebnisse aus dem kostenpflichtigen Test für medizinische Studiengänge (TMS), der einmal im Jahr stattfindet und an dem Bewerber nur ein einziges Mal teilnehmen dürfen. Teilweise haben die Unis auch eigene Tests. „Je nach Testergebnis vergeben die Universitäten unterschiedlich hohe Boni“, erklärt Lütge-Varney. Ein Ergebnis von über 90 Prozent kann zum Beispiel einen Bonus von 0,6 auf die Abiturnote ausmachen.

Berufsausbildung: Wer eine abgeschlossene Ausbildung in einem medizinischen Beruf hat, bekommt an einigen Hochschulen ebenfalls Boni. „Die liegen aber nur bei 0,2 oder 0,3“, sagt Lütge-Varney. Welche Berufsausbildungen anerkannt werden, hängt von den Unis ab. Gängig ist beispielsweise die Ausbildung zum Rettungssanitäter.

Auslandsstudium: Wer keine Lust auf lange Wartezeiten hat, kann sein Glück im Ausland versuchen. Beliebt sind Österreich und Ungarn, wo es deutschsprachige Medizinstudiengänge gibt. Darüber hinaus bieten viele Universitäten Studiengänge auf Englisch an, zum Beispiel in osteuropäischen Ländern wie Lettland, Polen oder Tschechien. Außerdem gibt es Universitäten mit deutschen Partnerunis. Studenten absolvieren dann die Ausbildung an einer deutschen Hochschule nach ausländischem Hochschulrecht.

Die Zulassung läuft je nach Uni unterschiedlich ab — es gibt zum Beispiel Aufnahmetests, die vor allem naturwissenschaftliche Kenntnisse abprüfen. Andere Unis entscheiden nur anhand der Unterlagen. „Mit einem Schnitt bis zu 2,3 oder 2,4 sind die Chancen zum Beispiel in Riga ganz gut“, so die Erfahrung von Alexandra Michel, Geschäftsführerin bei der Vermittlungsagentur College Contact.

Auch hier sind die Kosten hoch. „Die englischsprachigen Studiengänge in Osteuropa sind in der Regel mit Studiengebühren verbunden“, sagt Michel, „das sind zwischen 5000 und 15 000 Euro pro Jahr“. Erkennt das jeweilige Landesprüfungsamt die Leistungen an, können Studenten zwar später auch auf eine deutsche Hochschule wechseln. Doch der Übergang verläuft selten nahtlos: „Der Aufbau der Studiengänge und die Abfolge der Kurse sind im Ausland oft anders als in Deutschland“, erklärt Michel.

Losverfahren: Wenn alles andere nicht klappt, hilft vielleicht das Losglück. „Das ist die Ultima Ratio“, so nennt es Lütge-Varney. Das Losverfahren startet nach Abschluss des Hauptverfahrens an deutschen Universitäten. Wer teilnehmen will, muss sich direkt bei den Hochschulen dafür einschreiben - auch hier gibt es Fristen. Die Note ist dann vollkommen irrelevant.